Praxis - Spezial

Boliviens Kinder zwischen Schule, Arbeit und Prostitution. Gestaltung: Alexandra Mantler

Als Frau fällt man auf im Rotlichtviertel von El Alto, der zweitgrößten Stadt Boliviens, die sich auf rund 4000 Meter Höhe auf der kargen Hochebene gleich über der Hauptstadt La Paz erhebt. Spät abends in der "Straße der Sünde", wie sie hier genannt wird, sind ausschließlich Männer zu sehen. Ein spärlich beleuchteter Hauseingang reiht sich an den anderen, neben der Tür gleich ein Pissoir. Manchmal bilden sich regelrechte Menschenschlangen vor den Eingängen: Freier, die darauf warten, an die Reihe zu kommen. Die Mädchen, die in diesen Lokalen arbeiten müssen, sind oft nicht älter als 13 Jahre, hätten meist bis zu zwanzig "Kunden" pro Nacht. Je jünger die Mädchen sind, desto begehrter, erklärt die Sozialarbeiterin Marina Giranda: "Das ist die Dynamik von kommerzieller sexueller Gewalt: Je länger sie auf der Straße sind, desto weniger bekommen die Mädchen. Je niedriger der Preis, desto öfter pro Nacht müssen sie anschaffen gehen."

Viele dieser Mädchen sind hier gelandet, weil sie zu Hause Vernachlässigung und Gewalt erlebt haben und irgendwann ausgerissen sind. Jetzt leben sie auf der Straße, das Geld, das sie fürs Essen und ein einfaches Zimmer zum Übernachten brauchen - viele haben bereits ein Baby zu versorgen - verdienen sie durch Diebstahl oder Prostitution. Viele der Kinder und Jugendlichen, die hier in El Alto auf der Straße leben, sind auch drogensüchtig, inhalieren Lösungsmittel oder trinken. Wie der 24-jährige Andrés, der seit er 15 war, mit kurzen Unterbrechungen, auf der Straße lebt. Er hält eine Plastikflasche mit einem Cola-Rum-Gemisch in der Hand, ist ziemlich angetrunken und meint: "Dieses Leben ist kein Leben. Dieses Leben ist Verbitterung, Erinnerung. Wir trinken hier, damit wir vergessen. Wenn ich mir was wünschen könnte: dass es keinen Alkohol mehr gibt. Weißt Du, dieses Leben ist hässlich. Manchmal wissen wir nicht mehr, was wir essen sollen. Und dieser Scheißdreck da, den wir saufen."

Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreich unterstützt die bolivianische Hilfsorganisation Maya Paya Kimsa, die sich um genau diese Kinder und Jugendlichen kümmert - mit Streetwork, einem Tageszentrum, in dem medizinische Versorgung und Freizeitaktivitäten angeboten werden - immer mit dem Ziel, die Kinder schließlich von der Straße zu holen, wieder Kontakt zu den Familien herzustellen oder in ein Heim zu gehen.
Gegründet hat den Verein der gebürtige Oberösterreicher Martin Berndorfer vor etwas mehr als zehn Jahren. Im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Sozialakademie Innsbruck hat er in Bolivien mit Straßenkindern gearbeitet und dabei die Erfahrung gemacht, dass die Kinder, die von der Straße schließlich in ein Heim gehen, keinerlei Vorbereitung auf diese Umstellung hätten: "Es ist sehr oft passiert, dass die Kinder gleich am zweiten Tag aus dem Heim wieder weggelaufen sind, weil sie den Übergang nicht geschafft haben."

Meist würden sich die Kinder eingeengt fühlen in den rigide geführten Heimen. Darum bräuchte es in Zukunft auch mehr betreute Wohneinrichtungen, meint Martin Berndorfer. Und mehr Präventionsarbeit, damit Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen gar nicht erst auf der Straße landen.

In den vergangenen Tagen waren wieder in ganz Österreich die Sternsinger unterwegs. Rund 30.000 Buben und Mädchen haben an Türen geläutet, gesungen und dabei Spenden gesammelt für die Dreikönigsaktion, das Hilfswerk der Katholischen Jungschar. Mit diesen Spenden werden zahlreiche Entwicklungsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützt. Die Möglichkeit, für die Projekte der Dreikönigsaktion zu spenden, gibt es allerdings das ganze Jahr über.

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