Gedanken für den Tag

21. Jänner 2015, 06:56

PLATZMACHEN FÜR GOTT

Else Lasker-Schüler schreibt in ihren Gedichten und Prosatexten viel über Gott - ohne Scheu vor der Nennung seines heiligen Namens. Und sie schreibt so, als ob sie mit ihm in den Kindergarten gegangen wäre.

Im persönlichen Umgang mit den Menschen war sie eher streitsüchtig; aber geradezu versöhnungssüchtig war sie, wenn es um den ihr unbegreiflichen Zwiespalt zwischen den Religionen gegangen ist. In einem ihrer Theaterstücke lässt sie eine Hauptperson sagen: "Gott sieht nicht auf die Person, vielmehr ist ihm in jedem Volke wohlgefällig, wer ihn fürchtet und recht tut." Schließlich habe "nie ein Engel den zweiten gefragt, welchem Glauben er angehört."

Else Lasker-Schüler war auf ihre Art fromm; wenn sie Geld hatte, verschenkte sie es, also war sie immer arm. Die jüdischen Kult- und Alltagsvorschriften respektierte sie auf ihre etwas verschrobene Weise. Just an einem Versöhnungstag, Jom Kippur, dem größten Fasttag im Judentum, saß sie in der Synagoge und aß vor aller Augen Schokolade. Als sie vom Synagogendiener zurechtgewiesen wurde, fauchte sie ihn an: "Stören Sie meine Andacht nicht!" Unter religiösem Fasten verstand sie nämlich etwas ganz anderes. Sie schreibt: "Das Fasten des Magens ist es nicht, wenn die Seele nicht jedes Tandes entkleidet schimmert: Platzmachen für Gott. Auf das Fasten der Seele, darauf kommt es an, denn sie soll sich ... füllen mit unerschöpflicher jubelnder Liebe.".

"Platzmachen für Gott", so nennt Else Lasker-Schüler auch die Inspiration des schöpferischen Menschen - Inspiration: Einhauchung des Geistes, der für sie immer der Heilige ist - er sei gepriesen. Sich andächtig lauschend seinem Engel hingeben: das ist die Inspiration der Dichterin.

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