Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Manuskripte brennen nicht" - Zum 75. Todestag von Michail Bulgakow. Gestaltung: Alexandra Mantler

"Auf dem weiten Feld der russischen Literatur war ich in der UdSSR der einzige literarische Wolf. Man gab mir den Rat, mir den Pelz zu färben. Ein törichter Rat. Gefärbt oder geschoren - ein Wolf wird nie wie ein Pudel aussehen".

Mit diesen Sätzen charakterisierte der russische Schriftsteller Michail Bulgakow im Mai 1931 sich selbst - und zwar ausgerechnet in einem Brief an Stalin persönlich. Bulgakow hatte zu dem Zeitpunkt einiges hinter sich. Nachdem der 1891 in Kiew Geborene seinen Beruf als Arzt aufgegeben hatte und seit 1921 als freier Schriftsteller in Moskau lebte, waren seine Erzählungen mit dem Titel "Teufeliaden" erschienen. Von den danach entstandenen Theaterstücken konnte nur etwa ein Viertel aufgeführt werden - nach einem zähen Kampf mit den Zensurbehörden und etlichen Bearbeitungen. Dennoch wurde Bulgakow schnell so etwas wie ein Theaterstar, vor allem durch das Stück "Die Tage der Turbins", der Bühnenfassung seines Romans "Die Weiße Garde". Stalin selbst soll das Stück etwa ein Dutzend Mal gesehen haben und schätzte es; dann ließ er es verbieten.

Im Mai 1926 wurde Bulgakows Wohnung vom sowjetischen Geheimdienst durchsucht und seine Tagebücher beschlagnahmt. Im September 1926 wurde er vom Geheimdienst verhört. Im erhaltenen Protokoll vom 22. September 1926 liest man Erstaunliches. Angesichts der Tatsache, dass seine Erzählung "Hundeherz" von der Zensur nicht genehmigt worden war, stellte man Bulgakow die Frage: Glauben Sie, dass es in "Hundeherz" politische Untertöne gibt? Bulgakows Antwort war klar: Ja, die gibt es, und sie stehen in Opposition zur bestehenden Ordnung. Auch angesichts des übermächtigen Gegners hat Bulgakow immer mit offenem Visier gekämpft und sich nie anzupassen versucht. Es ist ein Wunder, dass er das überlebt hat. Einmal hat Stalin ihn sogar angerufen. Danach konnte er wenigstens am Theater arbeiten, doch als Autor musste er weiterhin für die Schublade schreiben. So ist der Roman "Meister und Margarita" entstanden, in den auch diese Erlebnisse eingeflossen sind.

Service

Buch, Michail Bulgakow, "Meister und Margarita", DTV
Buch, Michail Bulgakow, "Das hündische Herz", DTV
Buch, Michail Bulgakow, "Die weiße Garde", Luchterhand Literaturverlag
Buch, Michail Bulgakow, "Gesammelte Werke", Verlag Volk und Welt

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Cesar Cui/1835 - 1918
Urheber/Urheberin: Cesar CUI /Vilnius - 24.3.1918 Petrograd/18.1.1835 Wilna
Album: Russische Klaviermusik
Titel: Prelude op.64 Nr.9 in E-Dur - für Klavier
Solist/Solistin: Margaret Fingerhut /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Chandos 8439

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