Gedanken für den Tag

von Saskia Jungnikl, Journalistin. "Das Ende, der Anfang". Gestaltung: Alexandra Mantler

Trauer und Beziehungen

Ich lasse mir nur von sehr wenigen Menschen etwas sagen. In den Jahren, die seit dem Tod meines Vaters und meines Bruders vergangen sind, habe ich es geschafft weiterzuleben - und mein Leben wieder halbwegs glücklich zu führen, mit schönen Momenten und einer wiedererlangten inneren Freiheit, ohne ständige Angst und ohne dieses ständige Unruhegefühl. Lange Zeit habe ich nicht gedacht, dass ich wieder an diesen Punkt kommen werde und geschafft habe ich es alleine, deswegen vertraue ich mir selbst lange Zeit am meisten.

Es ist schwer einen Schutz fallen zu lassen, der einen lange begleitet hat und doch ist es unmöglich, mit diesem Schutz eine echte Beziehung zu führen, in der ein gegenseitiges Öffnen unabdingbar ist. Der Tod eines nahen Angehörigen stellt immer auch die Beziehung auf die Probe. Eine Partnerschaft zu führen erfordert Kraft, der Partner verlangt nach Aufmerksamkeit. Das zu geben, ist nicht möglich, wenn man in der Trauer alle Kraft und Stärke für sich selbst braucht. Und die Trauer des anderen nachzuvollziehen, ist nicht immer einfach, denn Trauer ist individuell. Sowohl in der Dauer als auch in Intensität oder der Art, wie offen oder verschlossen getrauert wird.

Ich glaube, dass man am Ende mit seinem Schmerz immer alleine dasteht. Freunde können den Verlust verstehen, sie können Mitleid haben, für einen da sein, aber sie können das Geschehene nie ganz begreifen. Das gilt auch für Lebenspartner. Akzeptanz und Geduld für den anderen aufzubringen ist unverzichtbar.

Viele Menschen wollen helfen, indem sie Tipps geben. Das macht es aber nicht unbedingt einfacher: Manche Tipps helfen nur bei einem selbst und bei jemand anderem nicht und doch hat man das Gefühl, man müsse sie befolgen, um den anderen nicht zu kränken. Denn das Thema kommt immer wieder, in unerwarteten Momenten, und es ist für beide Partner schwierig, dass es keine einfache Lösung dafür gibt. Oft gibt es nicht einmal Trost. Oft hilft nur das Zuhören.

Ich glaube, gemeinsam durch eine Trauerphase zu kommen erfordert harte Arbeit. Es braucht viele Kompromisse. Und viel Verständnis. Aber wenn das gelingt, gibt es wohl nichts, was einem mehr helfen kann, als jemanden an seiner Seite zu wissen, der es schafft, dass man sich langsam wieder ein Stück öffnen und vertrauen kann.

Service

Buch, Saskia Jungnikl, "Papa hat sich erschossen", Verlag Fischer

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann/1681 - 1767
Titel: Duett für Blockflöte und Violine in C-Dur
* Siciliana - 1.Satz (00:02:35)
Solist/Solistin: Michala Petri /Blockflöte
Solist/Solistin: Pinchas Zukerman /Violine
Länge: 01:50 min
Label: Philips 4202432

weiteren Inhalt einblenden