Zwischenruf

von Superintendent Manfred Sauer (Villach, Kärnten)

Der deutsche Dichter Reiner Kunze hat 1984 folgendes Ostergedicht verfasst:

Die glocken läuteten,
als überschlügen sie sich vor freude
über das leere grab
Darüber, dass einmal
etwas so tröstliches gelang,
und dass das staunen währt
seit zweitausend jahren
Doch obwohl die glocken
so heftig gegen die mitternacht
hämmerten -
nichts an finsternis sprang ab
Überschwängliche Freude über die Botschaft des Ostermorgens: Jesus lebt. Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Diese Osterbotschaft, dass der Tod nicht das letzte Wort behält, sondern, dass Gott uns verwandelt und auferweckt und neues Leben schenkt, diese Botschaft hören wir seit 2000 Jahren. Die Frage ist, ob die Osterbotschaft auch heute noch ins Staunen versetzt, tröstet und Hoffnung weckt?

Wir aufgeklärten Menschen des 21.Jahrhunderts spalten Atome, umkreisen die Erde, senden Satelliten ins Weltall, planen eine Marsexpedition. Wir haben die kleinsten Bausteine des Lebens erforscht, klonen Lebewesen und wer weiß, was noch alles entdeckt, erforscht und erfunden wird. Allerdings sind wir gegen den Tod nach wir vor machtlos. Wir können Schmerzen lindern, Krankheiten heilen und das Leben verlängern, aber wir wissen, einmal kommt der Tag und die Stunde, da es für jeden von uns heißt zu sterben. So gut wir auch im Verdrängen sind, wir wissen, dass wir sterben müssen und dass unser Körper zerfällt. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Besonders für die, die zurückbleiben, die Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen ist der Tod, auch wenn er sich ankündigt und absehbar ist, wie ein Komet, der in unser Leben einschlägt.

Wie geht es den Angehörigen der Schülerinnen und Schüler, der Frauen und Männer, die in der Germanwings-Maschine von Barcelona nach Düsseldorf unterwegs waren und in den französischen Alpen zerschellt sind? Finden sie in der Osterbotschaft von der Auferstehung Trost? Können sie, können wir es glauben, dass mit dem Tod nicht alles endgültig aus und vorbei ist?

Manchmal versuche ich mir das vorzustellen, wie das werden wird und es macht mir Angst. Besonders die Vorstellung, nicht mehr hier zu sein, nicht mehr atmen, riechen, schmecken, sehen, fühlen zu können. Doch dann klammere ich mich an meinen Glauben und an die österliche Verheißung, dass nicht alles aus und vorbei ist. Dass der Tod wie eine zweite Geburt ist, eine Übersiedlung in eine andere Wirklichkeit, ein Zurückkommen oder Ankommen bei Gott.

Ostern eröffnet eine ganz neue Perspektive. Jesus lebt und wir werden auch leben. Nach dem Lukasevangelium überschlagen sich die Jünger bei der Begegnung mit dem Auferstanden jedenfalls nicht mit Freude. Im Gegenteil. Sie fürchten sich. Sie glauben, einen Geist zu sehen. Und es braucht einige Überzeugung, bis sie wirklich begreifen, was geschehen ist, bis sie glauben können, was sie gesehen haben.

"Nichts an Finsternis sprang ab", heißt es am Schluss des Ostergedichtes von Reiner Kunze. Eine realistische, aber auch sehr pessimistische Einschätzung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Denn damit stellt Kunze fest: Es hat sich auch durch die Osterbotschaft nicht wirklich was verändert. Wir müssen ihm recht geben, wenn wir uns vor Augen führen, wie es zugeht auf unserer Welt.

Der Auferstandene verbschiedet sich mit einem Auftrag. Fürchtet euch nicht. Überwindet eure Angst und Trauer. Geht hinaus in die Welt. Verkriecht euch nicht in den eigenen vier Wänden. Predigt das Evangelium. Dient einander. Versöhnt euch. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes.

Auch wenn vieles im Dunkeln bleibt, auch wenn Leid und Tod unsere ständigen Begleiter bleiben, so sollen wir doch unser Licht leuchten lassen und immer wieder ein Licht der Hoffnung entzünden. Das geschieht bereits dort, wo wir einander ein Lächeln schenken und Frieden wünschen! Wo wir einander mit der Osterbotschaft ermutigen: Christus lebt. Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Wer an ihn glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.

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