Zwischenruf

von Oberkirchenrat Johannes Wittich (Wien)

Vielfalt an der Verkehrsampel

Liebevoll halten sie sich an den Händen, die Pärchen: Ein Mann und eine Frau, zwei Männer, zwei Frauen. Rot sind sie, wenn sie stehen. Grün machen sie sich eifrig auf den Weg. Und wie sehr sie verliebt sind, ist nicht zu übersehen. Überdimensional große Herzen tragen sie entweder auf der Brust oder werfen sich gerade einander zu.

Ich rede, wie könnte es anders sein, von den in den letzen Wochen berühmt gewordenen Wiener "Ampelpärchen". Eine Idee aus der Stadtregierung anlässlich des Song Contests, um die sonst so langweilig einheitlichen Fußgängerampeln ein wenig aufzuhübschen. 49 gibt es von ihnen, ist in der Zeitung zu lesen, und obwohl sie damit eine verschwindende Minderheit unter den ungleich zahlreicheren "regulären" Ampeln sein dürften, haben sie Aufsehen erregt.

Sie sind zu beidem geworden: Zum Anlass für Aufregung und zu einem bejubelten Symbol für die Offenheit der Stadt. Sie wurden einerseits als Geldverschwendung kritisiert, haben sogar zu einer Anzeige wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung geführt. Andererseits sind sie gefeiert worden, als Imagegewinn für die Stadt, als unbezahlbare Werbung für den Tourismus. Weil sie eben nicht nur heterosexuelle, sondern auch gleichgeschlechtliche Paare beim Händchenhalten zeigen.

Sie sollen nun bleiben, obwohl ursprünglich nur auf Zeit geplant, vielleicht sogar mehr werden. Für mich sind sie zunächst einmal eine witzige Spielerei mit einer an sich trockenen Materie, nämlich Verkehrsampeln. Die haben an sich eine klar definierte Funktion, nämlich den Verkehr zu regeln, und das möglichst klar und effektiv. Die Ampelpärchen bringen ein Augenzwinkern in das nicht wirklich aufregende Feld der Straßenverkehrsordnung, zeigen, dass nicht immer alles todernst gehandhabt werden muss, ohne dass irgendeine Gefahr daraus entsteht, und transportieren dazu natürlich noch eine Botschaft: Dass es auch in der Frage der Gestaltung von Lebensbeziehungen nicht nur eine festgelegte, sozusagen "genormte", Form gibt, sondern eine Vielfalt von Möglichkeiten. Weil Liebe eben heißt, die Form von gestalteter Beziehung zu finden, die für beide Betroffenen wirklich gut ist. Daran darf ruhig einmal mit Augenzwinkern, an einem unerwarteten Ort wie einer Ampel, erinnert werden.

"Eine Niederlage für die Menschheit" - nein, das war nicht ein Kommentar zu den Ampelpärchen. Das hat ein hochrangiger katholischer Kirchenvertreter zum Ergebnis der irischen Volksabstimmung vor zwei Wochen gemeint. Dort wird ja jetzt die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein, wie übrigens schon in einigen anderen europäischen Ländern auch. Nicht nur eine eingetragene Partnerschaft wie bei uns in Österreich, sondern eine der traditionellen Ehe vollständig gleich gestellte Form.

Eine "Niederlage für die Menschheit?" - Natürlich haben beide, die Diskussion über die Ampelpärchen und die über die irische Volksabstimmung miteinander zu tun. Thema ist die Akzeptanz, ja Gleichstellung homosexueller Beziehungen. Ich halte diese persönlich für unbedingt notwendig, weil sie ein Menschenrecht ist. Und auch als Theologe ist für mich dieses Recht, aus der Liebe Gottes zu uns Menschen und der Fähigkeit, verantwortungsvoll Beziehungen zu gestalten, die ich als göttliches Geschenk ansehe, ableitbar. Ich muss allerdings zur Kenntnis nehmen, dass manche Menschen, innerhalb und außerhalb von Kirche, es anders sehen und das einmal so akzeptieren.

Was ich allerdings nicht verstehe ist die Heftigkeit der Reaktionen: Die Ampelpärchen haben ganz sicher, seitdem es sie gibt, keinen einzigen Unfall im Straßenverkehr verursacht. Und dass ein weiteres europäisches Land Möglichkeiten für mehr als nur eine Form der Partnerschaft eröffnet hat, hält sicher niemanden davon ab, auch weiterhin sich für die traditionelle Ehe zu entscheiden. Warum also diese Empörung - eine Anzeige bei den sprichwörtlich bunten Ampeln, ein überzogener Sager beim irischen Votum? Ist es wirklich so, dass bestimmte Bereiche unseres Lebens kein gelassenes Augenzwinkern zulassen, sondern todernst genormt bleiben müssen? Dass das weite Feld menschlicher Beziehungen eindeutige Vorgaben braucht, weil wir sonst damit überfordert wären?

Als Christ würde das für mich heißen, an einen Gott zu glauben, der ein engstirniger Technokrat ist. Der die Welt und vor allem die Menschen genormt geschaffen hat. An so einen Gott glauben, das möchte ich nicht. In meiner Vorstellung hat Gott auch Witz und Humor und ist die kreative Kraft hinter der bunten Verschiedenheit der Menschen.

Wenn es also schon eine "Norm" geben soll, die für alle Menschen gilt, dann die: Dass in jedem und jeder das Potential steckt, sich jedem "Genormt-Werden" zu entziehen.

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