Gedanken für den Tag

14. Juli 2015, 06:56

Geschwindigkeit ist ein Kennzeichen unserer europäischen Gesellschaft. Mit ihrer Steigerung verkürzt man zeitliche Distanzen auf überschaubare, kalkulierbare Bereiche. Im Flug brauche ich dreieinhalb Stunden nach Israel, zu Fuß ein halbes Jahr, mit dem Rad vierzig Tage.

An der Tempoerhöhung hat das Rad teilgenommen. Man baut heute Maschinen, die einem durchtrainierten Menschen ein Durchschnittstempo von um die 40 Stundenkilometer über längere Zeit erlauben. Mich fasziniert es immer noch, wenn man mit so einem Rad aufs Tempo kommt. Zugegeben: Die Sitzposition ist mehr als unbequem, eigentlich ist es mehr eine nach vorn gebeugte Liegehaltung, bei der man Mühe hat, alle harten und weichen Körperteile so zu platzieren, dass sie nicht im Schmerz zu rebellieren beginnen.

Aber wenn die Maschine zu rollen beginnt, dann steigt nicht nur der Puls des Fahrers, sondern langsam nähert sich einem auch ein Empfinden, das ein bisschen rauschhaft ist. Die ein wenig zischenden Reifen, die Flucht des Asphalts vor den Augen, die Spannung des ganzen Körpers, der tiefe, rasche Takt des Atems und das physische Einswerden mit dem Rad durch das Rotieren der Kurbel wirken manchmal als eine Beschleunigung, die von selbst geschieht. Faszinierend ist dieses Tempo deshalb, weil man es über eine einfache Hebelmaschine ausschließlich durch eigene Körperkraft erreichen kann. Nie bewegt sich ein Mensch allein durch sich selbst schneller als auf einem Rennrad. Mich wundert es nicht, dass diese Faszination das Rennrad seit Jahrzehnten am Leben erhält.

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