Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

So kann es nicht weitergehen - Flüchtlingsbetreuung in Österreich

So kann es nicht weitergehen - ich denke, da sind sich alle einig. Die Situation für die Flüchtlinge ist unerträglich, aber auch viele Menschen in Österreich sind mit ihren Nerven am Ende. In der Politik hagelt es Rücktrittsforderungen, Versprechungen werden gemacht und gebrochen. Menschen demonstrieren für und gegen Flüchtlinge - als ob man gegen Flüchtlinge demonstrieren könnte - Männer, Frauen und Kinder müssen im Freien schlafen. Zu allem Unglück, so muss man es wohl nennen, befeuern einige Medien die Situation, indem sie von Flüchtlingsströmen, Flüchtlingsflut oder Flüchtlingsproblem sprechen oder schreiben. Überforderung allerorten. Auch in Deutschland übrigens - einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern. Dort allerdings geht es radikaler zu. Tausende demonstrieren gegen Flüchtlinge, Helfende werden attackiert, Steine fliegen, Asylheime werden in Brand gesetzt.

Auch Pegida-Anhänger ziehen wieder durch die Straßen, machen Stimmung gegen Asylsuchende. Flüchtlinge würden "über das gelobte Land herfallen", heißt es. Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aus Afrika oder dem Nahen Osten aufnehmen, heißt es. Das höre ich auch hier in Österreich: "Wir können nicht alle Flüchtlinge der Welt in unser Land lassen." Und dann wieder das unselige "Das Boot ist voll." Darum aber geht es auch gar nicht. Österreich soll nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Aber es kann nicht sein, dass noch immer zwei Drittel der Gemeinden im Land keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben. Sich zu verweigern und auf dem Nachbarort zu zeigen, ist nicht mehr möglich. Das ist nicht gerecht und das trägt auch nicht zur Beruhigung und zur Hilfe für die Menschen bei.Im Gegenteil: Ängste werden geschürt, Unsicherheit gesteigert. Und die Menschen bemerken, dass die Verantwortlichen überfordert sind. Das alles erzeugt einen unseligen Mix aus Angst und Aggression. Das gilt es ernst zu nehmen. Als Erstes sollte rasch eine gemeinsame und auf Hilfe ausgerichtete Gesprächskultur in Gang gesetzt werden. Wo Menschen miteinander sprechen, fliegen keine Steine. Auch die Kirchen sollten sich einmischen und die Menschen zum Miteinandersprechen bringen. In Deutschland etwa plant die Evangelische Kirche, Wracks von Flüchtlingsbooten auszustellen - eine Idee, die einmal mehr zum Nachdenken bringt. Die Ängste der Menschen vor den Flüchtlingen gehören abgebaut - das kann in der Begegnung mit Flüchtlingen, aber auch als erster Schritt eben durch die Konfrontation mit den Flüchtlingsbooten geschehen. In der Bibel ist Flucht ein breites Thema, angefangen bei Abraham, der wegen einer Hungersnot nach Ägypten geflohen ist. In Jesus Christus wird das Thema Flucht dramatisch zugespitzt. Gott ist nicht mehr nur Begleiter und Schutz von Flüchtlingen, sondern ist selber auf der Flucht. Kaum ist Jesus geboren, erscheint ein Engel, der vor dem Tod durch Herodes warnt und zur Flucht aufruft: Auf die Menschwerdung Gottes folgt sofort sein Dasein als Flüchtling. Später dann wird dieses Jesus von sich sagen: "Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen." Flüchtlingen zu helfen ist eines der Grundgebote in der Bibel und unumstößlicher Auftrag Gottes an die Menschen. So gehört es für Christen in der Begegnung mit dem oder Nächsten einfach dazu, Not zu lindern und zu helfen.

Ich bin sicher: In Deutschland, in Österreich wollen viele Menschen helfen. Das zeigen Beispiele, wo Asylwerber gemeinsam mit Österreichern erfolgreiche Nachbarschaftsprojekte auf die Beine gestellt haben. Auch die internationale Politik ist gefordert, in diesen Ländern Frieden herzustellen. Über die Mittel lässt sich freilich ausführlich streiten. Ich denke aber, inzwischen müssen auch drastische Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, um in Ländern, die seit Monaten und Jahren unter Terror leiden, wieder eine gewisse Ordnung und eben Frieden zu gewährleisten. Hier ist eindeutig die Politik gefragt. Das alles sind sehr komplexe und schwierige Aufgaben. Nicht schwierig dagegen ist es zu sehen, dass es so nicht weitergehen kann. Das ist unwürdig für Österreich. Und für die Flüchtlinge.

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