Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Und es ist doch möglich ..." - Zum 20. Todestag von Michael Ende. Gestaltung: Alexandra Mantler

". der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Friedrich Schiller hat in seinen Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" festgestellt, dass "gerade das Spiel und nur das Spiel es ist, was "den Menschen "vollständig macht".

Nun wird das Spiel oft als Gegensatz verstanden: etwa als Gegensatz zum "Ernst" des Lebens. Für das Spiel stehen dann Kinder, denen noch zugestanden wird, dass sie spielen, und für den Ernst des Lebens müssen die Erwachsenen herhalten, denen eingetrichtert wurde, dass ihr Leben unter dem Postulat der Nützlichkeit steht und stehen muss. Doch ein Blick in die Kulturgeschichte zeigt, dass sich auch Erwachsene keineswegs immer dem Nützlichkeitspostulat unterwerfen wollen. Auch sie erfanden ihre Bereiche der Unabhängigkeit von alltäglichen Zwängen. In Schauspiel, Tanz, Musik und ähnlichem werden solche Spielfelder der Kulturen sichtbar. In einer der wichtigsten theoretischen Schriften über das Spiel, nämlich "Homo ludens" ("der spielende Mensch"), bezeichnete Johan Huizinga das Spiel deswegen auch als "eine Grundlage und einen Faktor der Kultur".
Das freie schöpferische Spiel betrachtete auch Michael Ende nicht einfach nur als einen müßigen Zeitvertreib, einen geistigen Luxus, sondern als eine "der tiefsten menschlichen Lebensnotwendigkeiten, etwas, ohne das der Mensch aufhört, Mensch zu sein". "Selbst der Schöpfer dieser unserer Welt hat gespielt", meinte Ende, "als er die Natur schuf, denn niemand wird mich je davon überzeugen können, dass die unendliche Vielfalt an Formen und Farben in der Welt der Tiere, Pflanzen und Steine nur aus zwingenden Überlebens- und Anpassungsnotwendigkeiten entstanden sei."

"Ich gestehe es also ohne Scham ein", schrieb Michael Ende einmal. "Die wahre, eigentliche Treibfeder, die mich beim Schreiben bewegt, ist die Lust am freien und absichtslosen Spiel der Phantasie. Für mich ist die Arbeit an einem Buch immer von neuem eine Reise, deren Ziel ich nicht kenne, ein Abenteuer, das mich vor Schwierigkeiten stellt, die ich vorher nicht kannte, durch das Erlebnisse, Gedanken, Einfälle in mir hervorgerufen werden, von denen ich nichts wusste - ein Abenteuer, an dessen Ende ich selbst ein anderer geworden bin als der, der ich zu Anfang war. Ein solches Spiel kann man nur absichtslos betreiben, denn wer vorher schon wissen oder planen will, wohin ein solches Abenteuer einen führt, der verhindert damit schon, dass es dazu kommt."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Angelo Branduardi
Bearbeiter/Bearbeiterin: Gianfranco Lombardi
Gesamttitel: MOMO / Original Filmmusik
Titel: Thema des Dorfes
Solist/Solistin: Angelo Branduardi /Violine, Gitarre, Flöte
Leitung: Gianfranco Lombardi
Orchester: Unbekannt
Länge: 02:00 min
Label: Ariola 257825

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