Gedanken für den Tag

von Kurt Scholz, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich und ehemaliger Stadtschulratspräsident. "Mutig in dunklen Zeiten" - Christinnen und Christen im Widerstand. Gestaltung: Alexandra Mantler

Hans Rieger - Die Tosca im Landesgericht

Die Menschen, mit denen er redete, hatten die Kriegslage geschildert; waren Homosexuelle, hatten Feldpostbriefe geöffnet oder Hühner gestohlen. Ihre Berufe waren Schaffner, Bahnwarte, Studenten, Geistliche, Hilfsarbeiter oder Hebammen. Eines war ihnen allen gemeinsam: Der Tod durch das Fallbeil. Hans Rieger, der evangelische Gefängnispfarrer im Wiener Landesgericht, betreute sie bis in die letzten Minuten. Wenn er sie in der Zelle besuchte, hatte er eine Bibel bei sich.

Als er die einem zum Tode verurteilten Kommunisten überreichen wollte, rief dieser voll Verachtung: "Was haben sie uns da gebracht? Ein neues Testament? Sie hätten uns lieber ein Maschinengewehr bringen sollen!" Der Gefängnisseelsorger stimmte dem Verurteilten zu.

Seit 1942 versah der Pfarrer Hans Rieger seinen Dienst im Landesgericht Wien. Manche Verurteilte nannten ihn einfach "den Evangelischen", andere "den Engel im Landesgericht".

Seit 1924 war er Pfarrer der Evangelischen Gemeinde in Favoriten. Wenn ihn dort der Anruf "Herr Pfarrer, wir brauchen Sie" erreichte, wusste er, dass Hinrichtungen bevorstanden. Die Hände auf den Rücken gefesselt wurde der Verurteilte durch einen schwarzen Vorhang gestoßen. Minuten später stand Pfarrer Rieger vor einem geschlossenen Blechsarg.

Bis zu 40 Mal hintereinander musste Pfarrer Rieger diese Prozedur miterleben. Rieger war ein mutiger Mann. Er besuchte die Familien der Verurteilten. Mütter, Angehörige kamen in seine Wohnung, brachten ihm Briefe und kleine Gaben für die Verurteilten. Rieger schmuggelte sie ins Gefängnis. Die Briefe der Inhaftierten brachte er nach draußen. Wenn sie die Familienangehörigen gelesen hatten, mussten sie vor ihm verbrannt werden.

Nach dem Krieg, im Jahr 1946, nahm Pfarrer Rieger Abschied vom Landesgericht. Ein Nationalsozialist hatte sich vor der Hinrichtung vergiftet. Rieger wurde verdächtigt, die Giftphiole überbracht zu haben. "Ich zog aus dem Misstrauen gegen mich die Konsequenz und trat freiwillig aus dem Gefangenendienst zurück", schreibt Rieger.

Unzähligen hat er Trost gegeben. Manchmal brauchte er dazu nicht zu reden. Etwa, so schreibt er, "bei dem jungen, schwarzäugigen Ausländer, mit dem ich nicht reden konnte, weil wir einander in unserer Muttersprache nicht verstanden. Er ging in der Zelle auf und ab, lächelte mich an und pfiff unaufhörlich die Melodie des Cavaradossi aus ,Tosca': ". die Stund' enteilt, nun sterb' ich in Verzweiflung, und liebte niemals noch so sehr das Leben!"

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Giacomo Puccini/1858 - 1924
Album: OPER OHNE WORTE - DIE SCHÖNSTEN ARIEN IN ORCHESTERFASSUNG
Titel: E lucevan le stelle/instr. - Arie d.Cavaradossi a.d.Oper in 3 Akten "Tosca" / 3.Akt / Orchesterfassung
Anderssprachiger Titel: Und es blitzten die Sterne
Orchester: Columbia Symphony Orchestra
Leitung: Andre Kostelanetz
Länge: 02:00 min
Label: Columbia / Sony SK 52556

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