Zwischenruf

von Marco Uschmann (Wien)

Die Medien werden die vierte Macht im Staat genannt. Und sie selbst sehen sich auch als Wächter über Politik, Polizei und die Gerichte. Denn die Medien beobachten die Gesellschaft und wenn es nötig ist, decken sie auf, was im Argen liegt.

Beispiele für gelungenes Wächteramt gibt es genug, das berühmteste ist wohl der Watergate-Skandal. Dieser Triumph der Pressefreiheit führte dazu, dass der amerikanische Präsident Richard Nixon 1974 von seinem Amt zurücktreten musste: Zwei Reporter der Washington Post hatten eine weitreichende Verschwörung im Präsidentenwahlkampf aufgedeckt. Für diese Hartnäckigkeit erhielten Bob Woodward und Carl Bernstein den Pulitzer Preis.

Das ist über 40 Jahre her. Die Pressefreiheit ist nach wie vor ein hohes Gut und sehr wertvoll. Denn die Medien, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, machen Meinung. Sie helfen den Menschen, sich ihre Meinung zu bilden. Das bedeutet aber auch eine große Verantwortung. Denn selbstverständlich müssen die Medien aus der Flut der Meldungen auswählen, was sie berichten.

Die widerlichen Geschehnisse in der Silvesternacht liegen nun schon zwei Wochen zurück und erlauben einen etwas reflektierten Blick auf die Berichterstattung: Hunderte Männer, offensichtlich mit Migrationshintergrund, haben Frauen in Köln, Hamburg und auch in österreichischen Städten bedrängt, bestohlen und betatscht. Auch von Vergewaltigungen ist die Rede.

Zunächst einmal hat die Bevölkerung nichts erfahren. Erst Tage später sickerten die ersten Nachrichten durch, große Medienanstalten in Deutschland haben sich inzwischen entschuldigt für das Versäumnis, um nicht zu sagen, krasse Fehlverhalten. Im nächsten Schritt habe ich ein Herumlavieren vieler Medien bemerkt, die schwache Rechtfertigungsversuche formuliert haben. Das ist auch anderen Journalisten aufgefallen, so gibt es Kommentare, die vom "Erziehungs-Journalismus" schreiben: Die Medien berichten bewusst verfärbt und geschönt über die sogenannte Flüchtlingskrise. Meist fühlt sich die große Mehrheit der Deutschen von ihren Medien gut informiert. Geht es um Flüchtlinge, sieht das aber anders aus. Die Berichterstattung über die Silvesternacht bestätigt dies leider.

Auf der anderen Seite wird derzeit nahezu täglich über vermeintliche Einschnitte der Pressefreiheit in Europa berichtet: In Polen etwa sind etliche Journalisten von der neuen Regierung ausgetauscht worden, auch in der Türkei scheint es nicht einfach zu sein, kritischen Journalismus zu betreiben.

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Sie fordert mündige Menschen und sie ermöglicht mündige Menschen. In der Bibel findet sich der Satz: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit, so steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen." Diese Worte bilden einen der Schlüsselsätze des Reformators Martin Luther. Die Reformation war wesentlich eine Bildungssache. Sie hat vielen Menschen ermöglicht, die Bibel und andere Bücher selbst zu lesen. Sie konnten sich eine Meinung bilden. Sie wurden zu mündigen Menschen.

Auch heute sind Menschen auf Medien angewiesen, um sich eine Meinung zu bilden. Die ersten Nachrichten von den Übergriffen der Silvesternacht verbreiteten sich über die sozialen Medien. Es hat einige Tage gedauert, bis Zeitungen, Fernsehen, Radio und so weiter darüber berichtet haben. Der sogenannte Qualitätsjournalismus ist den sozialen Medien hinterhergehinkt. Vielleicht lag das an einer falsch verstandenen Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Die vierte Macht im Staat aber sollte nur einem verantwortlich sein: der Wahrheit. Und dafür braucht sie Freiheit, die es zu verteidigen gilt. Gegen Angriffe von außen und von innen.

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