Zwischenruf

von Pfarrer Michael Chalupka (Wien)

Gerüchte und Gewalt

Wichtigmacher hat es immer schon gegeben. Auch falsche Gerüchte wurden wohl immer schon verbreitet. Manche Geschichten klingen einfach zu gut, als dass man sie nicht weitererzählen möchte.

Caritas und Diakonie haben mittlerweile schon zig Mal dementiert, dass sie Flüchtlingen Handys kaufen würden, doch die Lüge wird immer noch weiter verbreitet. Um den Gerüchten ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit zu geben, leitet man sie dann mit dem Satz, "hat mir mein Nachbar erzählt", oder "hab ich selbst erlebt" ein.

Doch es gibt nicht nur die Wichtigmacher, es gibt auch die, die mit Diffamierungen Politik machen. Da werden falsche Informationen in den Raum gestellt und aufgeblasen. Die Richtigstellungen interessieren dann niemand mehr. Die PR-Manager der Parteien reiben sich die Hände, denn der Spin, Stimmung gegen Flüchtlinge, Mindestsicherungsbezieher, gegen NGOs oder den politischen Gegner zu machen, wurde längst erreicht. Die Stimmung ist aufgeheizt und man glaubt, Wind in die eigenen Segel zu lenken und entfacht doch nur einen Sturm des Bösen.

Falsche Gerüchte bleiben nicht im kleinen Kreis, sondern verbreiten sich in Windeseile durch die Sozialen Medien in alle Welt. So stellte sich sowohl der Tod eines Flüchtlings, der nach stundenlangem Frieren vor der Registrierung im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales gestorben sein soll, als auch die Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens in Berlin durch Flüchtlinge als Falschmeldungen heraus; - beschäftigten aber tagelang die Behörden und führten zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Russland und Deutschland, da es sich bei dem kurzzeitig vermissten Mädchen um die Tochter russisch-deutscher Aussiedler gehandelt haben soll.

Lügen und falsche Gerüchte sind brandgefährlich. Schnell daher gesagt, ohne nachzudenken, nachgeplappert, weil es doch so viele sagen, wird schon was dran sein, verbreiten sie Hass und Unsicherheit. Deswegen haben sie neben dem Verbot des Mordes und des Diebstalls ihren Eingang in die 10 Gebote gefunden, dort heißt es: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!"

Die Bibel ist das Buch des gesammelten Erfahrungswissens vieler Generationen. Eine falsche Zeugenaussage vor Gericht kann Existenzen zerstören, das wird in den zehn Geboten bewusst gemacht. In unserer modernen Gesetzgebung stehen die Falschaussage und der Meineid deshalb mit Recht unter strenger Strafe. Doch die Weitergabe des bösen Gerüchts am Stammtisch, in den Sozialen Medien, oder gar in Medien, die sich seriös geben und dann auf anonyme Informanten verweisen, kann genauso verheerende Wirkung entfalten.

Wenn die Gerüchtestreuer, Falschaussager und Hetzer mit dem dürftigen Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen konfrontiert werden, dann gibt es meist zwei Reaktionsmuster. Zum einen wird auf einen Einzelfall verwiesen, von dem aus dann pauschale Urteile über ganze Gruppen abgeleitet werden, oder es kommt der Satz "Das wird man doch wohl sagen dürfen!" So machen sich die, die andere, meist Schwächere diffamieren selbst zu Opfern. Sie sitzen in den Talk-Shows und überschwemmen das Land mit Unterstellungen und falschen Anschuldigungen und stilisieren sich selbst zum Opfer, auf Kosten der wahren Opfer des Krieges, der Flucht und der Armut.

Doch es gibt Dinge, die darf man wohl nicht sagen. Dazu gehören falsche Gerüchte und bewusste Lügengespinste: In der Bibel, im Buch der Sprüche, heißt ganz klar: "Wer wider seinen Nächsten falsch Zeugnis redet, der ist wie ein Streithammer, Schwert und scharfer Pfeil." Falsche Gerüchte streuen heißt Gewalt anwenden und andere bewusst verletzen. Und niemand wird doch wohl mit dem Schwert dreinschlagen dürfen, nur weil ihm gerade danach ist. Gewalt bleibt Gewalt, auch wenn sie nur aus dem Mund quillt. Das sollte jeder bedenken, bevor er Geschichten, die nicht überprüft sind, bedenkenlos weitererzählt.

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