Gedanken für den Tag
von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der "Furche". "Das Kapital, die Arbeit und die Menschenwürde". Gestaltung: Alexandra Mantler
25. April 2016, 06:56
Paradies und Fluch
Wenn Sie heute zur Arbeit gehen und dafür Lohn erhalten, erinnern Sie sich daran, dass Sie eigentlich nicht belohnt sondern bestraft werden. Die Arbeit ist der Fluch Gottes gegen die Menschen. "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen." So steht es in der Bibel. Arbeit hat demnach nichts Ehrenwertes. Sie ist die von Gott verdammte Pflicht, sich mit Pflanzen und Tieren so auseinanderzusetzen, dass man sich von ihnen ernähren kann. Der Paradieszustand der Arbeit ist erreicht, wenn man sie nicht mehr braucht. Das ist es auch, was die Ökonomen am Ende menschlicher Entwicklung sehen. Das Glück der Arbeitslosigkeit. Bei Karl Marx gehen die Menschen wohlgelaunt fischen. Bei John Maynard Keynes denken mündige Bürger über Gott und die Welt nach, also über "die wirklich wichtigen Dinge im Leben", wie Keynes meint. Stellen Sie sich das einmal vor. Sie gehen heute zur Tür hinaus und kommen - nach Keynes - am Abend mit einer guten Idee heim statt mit einem müden Kopf - oder nach Marx mit einer saftigen Forelle statt schlechter Laune und einem Fertiggericht.
Aber was ist dann nun mit dem Fluch der Arbeit? Johannes Paul II. meint, die Arbeit sei ein sich in Beziehung setzen, die Wertschöpfung besteht nicht nur in dem Hergestellten Gut als vielmehr in der Verwirklichung einer Gemeinschaft von Menschen und Völkern. Den Markt sieht er als eine zivilisatorische Errungenschaft menschlicher Kommunikation, wie er in Centesimus annus schreibt. Kreativität zu entfalten solle das Ziel der Märkte sein. Die Märkte müssten also etwas mehr vom Paradies aufsaugen und etwas weniger vom Fluch des stumpfsinnigen, mehr vom Gleichen produzieren. Arbeitsleistung, die bloß in Produktion, Stückzahl und Arbeitsstunden bemessen wird, ist würdelos. Und genau so könnten Sie das heute ihrem Arbeitgeber sagen, vorausgesetzt natürlich, sie sind Papst oder Betriebsrat - und damit mit Unkündbarkeit gesegnet.
Service
Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser-Verlag
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Titel: GFT 160425 Gedanken für den Tag / Oliver Tanzer
Länge: 03:49 min
Komponist/Komponistin: Michael Langer
Album: CROSSING OVER...
Untertitel: Jazz Sonata
Titel: Work Song/instr.
Solist/Solistin: Michael Langer /Gitarre < Nylon-String Fingerstyle Guitar >
Länge: 02:00 min
Label: Blue Groove BG 1220