Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Fit und gesund bis 111 - Neue Erkenntnisse der Alternsforschung

Das ist keine Vision, sondern bald Realität. Viele der im Jahr 2016 geborenen Mädchen werden 2116 ihren 100. Geburtstag bei guter Gesundheit und erstaunlich fit feiern. Das ergeben demographische Modellrechnungen. Wir anderen, die bereits ein paar Jahre auf dem Buckel haben, müssen uns da schon selbst ein bisschen anstrengen. Und uns über die aktuellsten Ergebnisse der Alternsforschung informieren.
Spätestens seitdem Google Mitbegründer Larry Page 2013 die Firma California Life Company, kurz Calico, gründete, ist das Thema Alternsforschung nicht nur bei Pharmafirmen, sondern auch inmitten der Computer-Internet-High-Tech-Branche angekommen. Page meinte damals: Ein Allheilmittel gegen Krebs zu finden, würde die durchschnittliche Lebenserwartung um nur drei Jahre heben - das sei kein sehr ehrgeiziges Ziel. Er wolle die fast unbegrenzten Geldmittel von Google und die von ein paar Kumpels dazu verwenden, eine deutlich höhere Lebensverlängerung zu erreichen.
Dann wurde noch Arthur Levinson als Chef verpflichtet - er gilt als Quasi-Genie in der Disziplin Molekularbiologie und ist außerdem Aufsichtsratsvorsitzender von Apple. Das klar definierte Ziel von Calico: Gesundheit, Wohlbefinden und Langlebigkeit zu schaffen.
Der Weg dorthin führt über neue Therapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz und Krebs. Einer der Forschungsschwerpunkte werden genetische Manipulationen sein.
Apropos Erbgut: Wie alt ein Mensch wird, bestimmen nur zu 20 bis 30 Prozent seine Gene. Das bedeutet umgekehrt, dass unsere Lebenserwartung in erster Linie vom Lebensstil abhängt. Und das ist die gute Nachricht: Wir können unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Tatsächlich sagt das Geburtsdatum alleine noch nichts darüber aus, welches biologische Alter ein Körper hat. Tickt die biologische Uhr etwa durch einen bestimmten Lebensstil schneller, so kann das die Lebenszeit deutlich verkürzen.
Ein groß angelegtes europäisches Forschungsprojekt mit dem Namen "Mark Age" hat es sich zum Ziel gesetzt, spezielle Biomarker zu finden, die das individuelle biologische Alter eines Menschen möglichst genau anzeigen.
Es wird an allen Ecken und Enden des Körpers gesucht und getestet. Von der Haut bis in die innersten Bestandteile der Zelle.
Eines der wichtigsten Ziele ist es, die degenerativen Erkrankungen des Gehirns (Demenzen, Morbus Parkinson, etc.) besser behandeln zu können.
Dazu werden unter anderem die "Kraftwerke" der Zelle, die Mitochondrien, untersucht. Von ihrer Energieleistung hängt die Funktion der Zellen ab. Es entstehen bei diesem Prozess aber auch freie Sauerstoffradikale, die eine Fehlerkette in Gang setzen können, an deren Ende neurodegenerative Erkrankungen stehen.
Weil unser Erbgut (die DNA) für das Altern von großer Bedeutung ist, wird weltweit daran geforscht die DNA Reparaturmechanismen besser zu verstehen, um diese im Kampf gegen Altersprozesse und Krebserkrankungen einsetzen zu können. An der Universität für Bodenkultur in Wien wurde das Protein SNEV entdeckt, das in der Lage ist, Schäden an der DNA wieder zu reparieren. Außerdem ist es möglich, durch eine kleine, gezielte Änderung an den Ribosomen, die Eiweißsynthese in Zellen umzuprogrammieren. Auch dies führt zu einer Verlängerung der Lebensdauer.
An der Grazer Uniklinik wiederum wird versucht in den Prozess der Autophagie einzugreifen. Die Zellen von Würmern, Fliegen aber wahrscheinlich auch Säugetieren entsorgen die angefallenen Stoffwechselprodukte besser, wenn sie die Substanz Spermidin erhalten oder wenn intermittierend gefastet wird. Damit erhöht sich die Lebensspanne.

2016 wird in die Geschichtsbücher der Pharmakologie eingehen. Erstmals in der Geschichte der Menschheit werden Medikamente nicht mehr im Kampf gegen Krankheiten aufgeboten, sondern gesunden Menschen verabreicht, um das Leben zu verlängern. Der erste Kandidat in dieser neuen pharmakologischen Untersterblichkeits-Olympiade ist Metformin.
Metformin ist seit Jahrzehnten in der Behandlung des Typ 2 Diabetes in Anwendung. Seine Bedeutung sank in den 1980er Jahren, als neue Wirkstoffgruppen auf den Markt kamen. Dann ab dem Jahr 2000 erlebte diese Substanz aufgrund einer großen britischen Untersuchung einen kometenhaften Aufstieg. Studie um Studie ergab neue, aufregende Ergebnisse. Ein kurzer Überblick: Bei Typ 2 Diabetikerinnen erhöht Metformin die Lebensdauer, es senkt die Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit, ebenso das bei Zuckerkranken erhöhte Krebserkrankungsrisiko, es hilft beim Abnehmen, wirkt möglicher Weise gegen Demenzen usw.
Nachdem die Medizin einmal andächtig durchgeatmet hatte, entstand der Plan, diesen Wirkstoff an Gesunden zu testen.

Das größte Forschungsprojekt der Menschheit läuft auf Hochtouren.

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager, Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich.

Service

Assoc.-Prof. Dr. Johannes Grillari, Universität für Bodenkultur, Wien
Dipl.-Ing. Dr. Markus Schosserer, BOKU Wien
Univ.-Prof.in Dr.in med.univ. Regina Roller-Wirnsberger, Medizinische Universität Graz
Univ.-Prof. Dr. med.univ. Michael Freissmuth, Medizinische Universität Wien
Prof. Alexander Bürkle, MD, Universität Konstanz
Priv.-Doz.in Dr.in Karin Schindler, Medizinische Universität Wien

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