Gedanken für den Tag

10. Juni 2016, 06:56

Wir als Gottes- und Nächstenliebe

Auf die Frage, welches das höchste Gebot sei, antwortete Jesus mit dem Verweis auf die Gottes- und die daraus folgende Nächstenliebe im Alten Testament. Dieses umfassende Wir vollendet sich in der Bergpredigt zur Feindesliebe.

Vom Weihnachtslied Stille Nacht ist wesentliche christologische Aussage der vierten Strophe weggebrochen - "da als Bruder huldvoll umschloß /Jesus die Völker der Welt" - als Gottes Kinder sind alle Menschen Geschwister, dazumal und heute bitterer Kriegs- und Noterfahrung.

Die katholische Liturgie entfaltet das Wir im durchgehenden Aufruf zum Gebet, mit dem Vaterunser, bei der Opferung der Gaben und der Anrufung der Barmherzigkeit Gottes im Kyrie Eleyson und Agnus Dei, widerhallend in der wundervollen Musik unserer größten Komponisten.

Das gemeinschaftsbildende Credo wurde in der alten Kirche in der Wir-Form gesprochen. Das große Glaubensbekenntnis betont die heilsgeschichtliche Bedeutung von Menschwerdung und Passion Christi mit den Worten: "Für uns Menschen ist er vom Himmel herabgestiegen . Er wurde für uns gekreuzigt."

Gottes menschliche Dimension lebt in der Anrufung Mariens im Ave Maria, anrührend im volkstümlichen Liedgut: "Mutter Gottes, wir rufen zu dir."

Zwischen Ich und Wir wechselt der große Dialektiker Paulus in der berühmten Stelle des Korintherbriefs: "Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. . Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort rätselhaft, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin."

Glaubensgemeinschaft schließt ein und achtet Andersgläubige - institutionalisierte Dogmatik grenzt sogenannte "Ketzer" und "Ungläubige" aus.

Lessings "Nathan der Weise" sprengt im Geist der Aufklärung die konfessionellen Schranken. Daran sind Glaubensgemeinschaften zu messen. Sie verdienen diesen Namen, wenn sie einen gnädigen, barmherzigen und liebenden Gott anrufen und danach handeln.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler