Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin, Germanistin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "die Furche". "Anders sehen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Viele Stimmen

Wann er als Sohn eines Wundarztes geboren wurde, weiß man nicht. Sicher ist, dass Miguel de Cervantes am 9. Oktober 1547 getauft wurde. Als 22-Jähriger floh er nach einem Duell aus Spanien. In der Seeschlacht von Lepanto wurde seine linke Hand zerschmettert. "Er geriet in Gefangenschaft, unternahm tollkühne Fluchtversuche und arbeitete nach seiner Freilassung kurzzeitig für den Nachrichtendienst König Philipps II." Er wurde exkommuniziert und landete mit Mordanklage im Gefängnis: Cervantes' Leben, das Uwe Neumahrs Biografie erzählt, liest sich wie ein Abenteuerroman. Erst mit 58 Jahren gelang Cervantes der literarische Durchbruch, mit seinem berühmten Roman "Don Quijote von der Mancha".

Dass dieser Roman erscheinen durfte, war gar nicht selbstverständlich. "Don Quijote" erschien im Spanien der Inquisition, in jenem Spanien, "das durch die Vertreibung der Juden 1492 und der Mauren 1603 die Hälfte seiner selbst ins Exil geschickt hat", wie Carlos Fuentes es einmal formulierte. Man brauchte eine königliche Druckerlaubnis. Spaniens Sittenwächter kontrollierten und zensierten. Gerade dem unterhaltsamen Ritterroman galt ihre Skepsis. Doch dem "Don Quijote" bescheinigte man, das Werk sei "sehr nützlich und vorteilhaft" - und so konnte Cervantes literarische Karriere 1605 endlich so richtig beginnen.

Es scheint, als hätten die Zensoren gar nicht erkannt, wie subversiv dieses Buch war. Denn wenn eines überhaupt sicher ist in diesem Roman, dann dass ständig sogenannte Wahrheiten hinterfragt werden. Cervantes geht gegen Einseitigkeit und Dogmatismus an, indem er seine Figuren reden lässt. Während Sancho Panza und Don Quijote durch die Landschaft der Mancha reiten, reden sie. Und es begegnen ihnen viele andere Figuren, viele Stimmen, viele Theorien. Also Gesellschaft, wie wir sie kennen: plural. So konnte Cervantes Positionen für die spanische Krone und die katholische Kirche einflechten, aber auch welche für die humanistischen Ideen von Erasmus von Rotterdam. Durch die Stimmenvielfalt, das Zusammentreffen der vielen Figuren werden auch Themen wie Toleranz oder Intoleranz gegenüber anderen Glaubens- und Bevölkerungsgruppen erzählt. Auch darin ist der Roman "Don Quijote" ungeahnt modern - und aktuell.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160708 Gedanken für den Tag / Schwens-Harrant
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Traditional
Album: PACO PENA: AZAHARA - FLAMENCO GUITAR RECITAL
Titel: Solquema < Bulerias >
Solist/Solistin: Paco Pena /Gitarre
Solist/Solistin: Tito Losada /Gitarre
Länge: 02:00 min
Label: Nimbus NI 5116

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