Da capo: Tonspuren

Der Fluch der Geschichte. Oder: Der kubanische Kosmos des Leonardo Padura. Feature von Johann Kneihs

Leonardo Padura Fuentes, geboren 1955 in Havanna, darf als zur Zeit erfolgreichster Autor seines Landes gelten. Einem weltweiten Lesepublikum dienen seine Bücher, beginnend mit den vier Kriminalromanen des "Havanna-Quartetts", als Reiseführer in die sozialistische Wirklichkeit des heutigen Kuba. Darin kämpft der Leutnant der Kriminalpolizei, Mario Conde, mitten in der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre, gegen Diebstahl und Mord, Lüge und Korruption. Über die begrenzten Erfolge seiner Arbeit und die Niederlagen seines Baseballteams tröstet sich der Ermittler mit nostalgischen Rückblicken auf Jugendjahre, mit wechselnden Liebschaften und dem einen oder anderen Glas Rum.

El Conde, Philanthrop mit literarischen Neigungen - in späteren Romanen wird er den Polizeidienst quittiert haben und mit antiquarischen Büchern handeln - weist manche Züge seines Urhebers auf. Der studierte Literaturwissenschafter Leonardo Padura begann seine Laufbahn ebenfalls in der Auseinandersetzung mit dunklen Seiten der Wirklichkeit. Als Journalist war er zunächst mit aufdeckenden Reportagen, nach seiner Strafversetzung mit Nachforschungen zur kubanischen Kultur und Geschichte befasst. Und wie seine Hauptfigur liebt er Baseball und andere erfreuliche Facetten des Lebens auf Kuba.

Paduras jüngste Hauptwerke handeln von Ereignissen der Weltgeschichte. "Der Mann, der Hunde liebte" (2009, deutsch 2011) erzählt von der Verfolgung des russischen Revolutionärs Leo Trotzki und rekonstruiert das Leben seines Mörders, des in Havanna gestorbenen Katalanen Ramón Mercader. Zugleich ist das 600 Seiten starke Werk auch eine Abrechnung mit der stalinistischen Perversion der kommunistischen Idee. Der zuletzt übersetzte Roman "Ketzer" (2013, deutsch 2014) verbindet die Geschichte der jüdischen Gemeinde im Amsterdam des 17. Jahrhunderts mit dem Schicksal jüdischer Flüchtlinge in Kuba, dem Holocaust des 20. Jahrhunderts und der kubanischen Gegenwart.

Wie schon ansatzweise in seinen ersten Büchern thematisiert Padura in seinem Spätwerk die Freiheit des Einzelnen gegenüber totalitärer Ideologie und seine Verantwortung inmitten von Unterdrückung und Gewalt. Sein Schaffen versteht der Autor auch als Teil einer Wende in der lateinamerikanischen Literatur: vom "magischen Realismus" eines Gabriel García Márquez zu einem "realistischen Realismus" seiner Generation.

In Kuba sind Paduras Bücher, ihrer schonungslosen Darstellung stalinistischer Verbrechen und der heutigen kommunistischen Wirklichkeit zum Trotz, unzensuriert erschienen - allerdings nur in kleinen Auflagen erhältlich.
Sprecher: Michael König, Gideon Maoz und Cornelius Obonya
Ton: Fridolin Stolz, Redaktion: Alfred Koch

Service

Literatur
Die Bücher von Leonardo Padura erscheinen in der deutschen Übersetzung von Hans-Joachim Hartstein im Unionsverlag Zürich:

"Ketzer", 2016

"Neun Nächte mit Violeta", 2016

Das Havanna-Quartett (Ein perfektes Leben, Handel der Gefühle, Labyrinth der Masken, Das Meer der Illusionen), 2016

"Die Palme und der Stern" 2015

"Der Mann, der Hunde liebte", 2012

Sendereihe

Gestaltung