Oliver Tanzer

LUKAS BECK

Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der Wochenzeitung "Die Furche". "Das Böse und das Geld" - Eine Reise zu den gar fürchterlichen Schattenseiten des Kapitals in Legenden, Dichtung und religiöser Wahrheit - und wie sie unsere Wirklichkeit prägen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Das Paradox des Bösen - und der Ökonomie

Wir sind beinahe am Ende unserer Erörterungen. Zuletzt noch ein Ausflug in die fröhliche Wissenschaft. Wie war das noch, damals in der Stube des Dr. Faustus, da sagt doch Mephistopheles auf die Nachfrage des Faust, wer er denn sei: Ich bin ein Teil der Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Ein seltsamer Satz. Aber vielleicht meinte Goethe nach Immanuel Kant, dass sich das Gute ja wirklich erst im Gegensatz mit dem radikal Bösen zeigen kann. Aber diese Erkenntnis bringt uns wenig, wenn es um die Wirtschaft geht.

Probieren wir es also von einer anderen Seite. Von der Seite der Psychologie. Der Teufel ist da dieser Deutung nach ein Geschöpf des Lustprinzips, des Impulsiven. Er verschafft seinen Opfern ökonomisch betrachtet sofortige Befriedigung ihrer Nachfrage, ja in vielen Fällen treibt er sie in noch mehr und exponentielle Nachfrage hinein. Er ist ein wirklicher Dealer des Konsums und zeigt uns, wie sehr die Wirtschaft mit unserem Triebleben verbunden ist.

Die Ökonomie als Wissenschaft sieht sich da ja ganz, ganz anders. Als eine Geburt des Realitätsprinzips. Sie meint rational und logisch zu handeln: Rein rationale Akteure formen rein rational handelnde Märkte und aus all dem ergießt sich Reichtum über die Menschheit.

Freilich steht in den Lehrbüchern der Ökonomie selbst etwas ganz anderes, wenn man sie genauer liest. Die unsichtbare Hand des Handels und der Freiheit rechnet nach ihrem Erfinder Adam Smith sehr wohl mit der Kraft der Impulse und der Instinkte. Sie meint nur, dass selbst böse Absichten letztlich das Gute schaffen. Da ist der Kernsatz der Ökonomie nicht weit von der Selbstbeschreibung des Teufels im Faust entfernt, der doch stets das Böse will und stets das Gute schafft.

So schafft sich die Ökonomie ihre eigenen Illusionen und Verdrängungen: Sie will einfach nicht wahrhaben, was ihr unangenehm ist, das Psychische, das Unbewusste und Unzählbare und Unkontrollierbare. So lebt sie an der Realität vorbei, während die Welt und die Politik von ihren allzu rationalen ökonomischen Modellen gefangen genommen werden. Und sie hat im Krisenfall immer noch eine Ausrede: Der Teufel stecke im Detail, die Krise sei bloß die Ausnahme von der Regel. Wir aber können nach dieser Woche dagegenhalten: Iwo, der Teufel steckt im Ganzen, die Krise ist vielleicht das System selbst, das immer das Gute will und doch stets das Böse schafft.

Service

Tomas Sedlacek und Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser Literaturverlage

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Bob Dylan/geb.1941
Album: DYLAN
Titel: All along the watchtower
Solist/Solistin: Bob Dylan /Gesang m.Begl.
Länge: 02:00 min
Label: Sony BMG 88697109542 (3 CD)

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