Gedanken für den Tag

14. Dezember 2016, 06:56

Dubioses. Steht auf dem Rücken eines Ordners, den der Leiter der Schuldnerberatung aus dem Regal zieht. Ein Fall von vielen: Am 1. April 1996 gewährt eine Wiener Großbank einen Kredit über umgerechnet 10.000 Euro. Obwohl damals schon absehbar war, dass der junge Mann ohne Aussicht auf eigenes Einkommen den Kredit nie zurückzahlen wird können.

20 Jahre später, aus dem jungen Mann ist inzwischen ein älterer Herr geworden, weiterhin ohne Aussicht auf eigenes Einkommen, tippt man in einer Wiener Anwaltskanzlei im Auftrag der Bank den aktuellen Klagssaldo in den Computer. Ordnung muss sein. Der Brief wird in ein Kuvert gesteckt und eingeschrieben abgeschickt. Die Klagssumme beträgt nun: 628 Tausend 574 Euro und 23 Cent.

Alexander Maly ist Kummer gewohnt. Der Schuldnerberater weiß, wie schnell sich bei den Verausgabten die Schuldenspirale nach unten dreht, doch beim Anblick des Anwaltsschreibens schüttelt auch er den Kopf.

Schon öfters hat er öffentlich kritisiert: "Banken lassen offenbar nichts unversucht, um Kunden das Überziehen ihrer Konten schmackhaft zu machen." Zuerst verschleiern die Institute, dass Geld ausgegeben werden soll, das eigentlich nicht vorhanden ist. Dann verdienen sie an den Zinsen, ohne dass deren Tilgung die Schuld verringert.

"Das geht hierzulande viel zu leicht", sagt Maly: "Nirgendwo sonst ist die Exekutionsordnung derart gläubigerfreundlich ausgeprägt, nirgendwo sonst kann der Staat für die Eintreibung von Forderungen so effektiv herangezogen werden wie in Österreich."

Ich hatte vor ein paar Tagen einen Traum: Der Inkasso-Anwalt verschickt zwischen dem zweiten und dritten Advent noch einen Brief. Darauf steht "Weihnachtsamnestie". Ja, ich weiß. Es war ein naiver Traum.

Service

Uwe Mauch, "Die Armen von Wien. 13 Sozialreportagen", ÖGB-Verlag

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler