Menorah Lighting

AP/JOSE LUIS MAGANA

Gedanken für den Tag

von Sarah Egger, Geschäftsführerin des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. "Zwischen den Jahren. Von Kalendern und Fest-Zeiten". Gestaltung: Alexandra Mantler

Ein Licht für die Völker

Heute Abend zünden Jüdinnen und Juden weltweit die sechste Kerze am Chanukka-Leuchter. Es gab eine jüdische Bewegung, für die die Makkabäer einen ganz besonderen Stellenwert hatten: Die jüdische Turn- und Sportbewegung, die sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts parallel zu den anderen nationalen Turnbewegungen im deutschsprachigen Raum gebildet hat.

Noch heute heißt das jüdische Pendant zur Olympiade "Makkabiah". Der Gedanke dahinter war, dass die Jüdinnen und Juden wieder so kräftig und selbstbewusst werden sollten wie einst die Makkabäer. Das rassistische Vorurteil, dass Juden schwach und wehrlos sind und es im Sport zu nichts bringen können, hatte sich auch in jüdischen Köpfen so festgesetzt, dass sie unbedingt das Gegenteil beweisen wollten. Daher hatte auch Chanukka eine besondere Bedeutung für die jüdischen Turnvereine. Von denen gab es bereits vor dem Ersten Weltkrieg und ebenso danach mehrere in Wien, nicht zuletzt, weil Jüdinnen und Juden in vielen nichtjüdischen Vereinen gar nicht turnen durften.

Als ich für meine Masterarbeit alte jüdische Zeitungen durchforstet habe, habe ich seitenweise Einladungen zu Chanukka-Bällen gefunden. Es war für mich tragisch zu sehen, mit wie viel Fröhlichkeit, Mut und Kampfgeist jüdische Sportlerinnen und Sportler, auch als sich die größten Katastrophen schon abgezeichnet haben, noch Chanukka gefeiert haben: vor dem Ersten Weltkrieg, nach dem sie ihre Vereine wiederaufgebaut haben, und auch unmittelbar vor der Schoah. Manchmal sind die Zeiten nicht zum Feiern. Manchmal bleibt einem der Krapfen im Hals stecken und das Lied stirbt auf der Zunge. Aber heute sind wir wieder hier und feiern ausgelassen.

Das Volk Israel soll ein Licht für die Völker sein, steht in der Bibel. Es ist heute keine gute Zeit für Pluralismus in der Gesellschaft, ebenso wenig wie damals im hellenisierten Israel. Jeder sollte damals die gleiche Religion haben und so seine Herkunft verleugnen. Aber nach so vielen Jahrtausenden, in denen versucht wurde, uns Jüdinnen und Juden zum Verschwinden zu bringen, sind wir noch immer hier und zünden eine Kerze nach der anderen an, um zu zeigen, dass die Dunkelheit vergeht. Vielleicht ist diesmal das Chanukalicht das Licht für die Völker, für die Fremden, für die Anderen: Heute will man euch nicht, aber übermorgen wird euer Leben wieder süß sein.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Trad.
Titel: Oy chanukah, Oy Chanukah!
Ausführende: Klezmer Conservatory Band
Länge: 02:00 min
Label: Rounder Records - CD 3102

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