Carmen Steinert und Christoph Rothenbuchner

HELMUT WIMMER

Leporello

Anna Kim und Marino Formenti bei "Ganymed Fe Male" im KHM

Die Schriftstellerin Anna Kim steht vor einem Gemälde des italienischen Renaissancemalers Giuliano Bugiardini. "Die Entführung der Dina" heißt das Bild, auf dem Frauen von Männern attackiert werden, während sämtliche Umstehende unbeteiligt zusehen. Es hängt im Wiener Kunsthistorischen Museum und ist eine von zahlreichen Stationen im neuen Projekt von Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf. Ganymed Boarding, Ganymed goes Europe und Ganymed dreaming hießen deren vorangegangene Projekte. Morgen Abend präsentiert das Duo sein jüngstes Unterfangen - Ganymed Fe Male. Einmal mehr geht es darum, bedeutende Werke der Kunstgeschichte auf eine neue Weise zu sehen. Ganymed Fe Male betrachtet die Bilder der großen Meister mit den Augen von Frauen.

Wie alle Teilnehmerinnen bei Ganymed Fe Male - darunter prominente Autorinnen wie etwa Zadie Smith - reagiert auch Kim mit einer eigenen künstlerischen Äußerung auf ein Bild ihrer Wahl. Ihr Text ist im Gegensatz zu Bugiardinis leuchtenden Pastelltönen in düsteren Farben gehalten. Er ist Berichten an die UNO entnommen, die die ethnischen Säuberungen im Jugoslawienkrieg schildern. Schauspieler Martin Vischer interpretiert die schauerlichen Szenen der Wirklichkeit.

Wenige Meter weiter im KHM spielt der Pianist, Dirigent und Performer Marino Formenti ebenfalls eine Szene. Es ist eine Szene aus seinem eigenen Leben. Formenti bedient die Tasten einer alten Kinderspielorgel, um dem Publikum zu erzählen, wie dieses Instrument ihm einst den Weg zu seinem persönlichen Glück gezeigt hat. Als unsportliches, zartes Kind taugte er nicht für die rauen Spiele seiner Kameraden, so erinnert er sich; seine Eltern waren darüber derart besorgt, dass sie mit ihm zu Arzt gingen, der - noch mehr Sport verordnete; dann hörte Marino Formenti eines Tages rettende Töne und erlebte seine musikalisches Erweckung.- Marino Formentis Erinnerungen an seine Kindheit wurden durch seinen Blick auf das Selbstbild der Sofonisba Anguissola ausgelöst, einer der bemerkenswertesten und berühmtesten Renaissancekünstlerinnen.

Als Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf Marino Formenti um seine Teilnahme an ihrem Unterfangen baten, war seine erste Frage, warum sie denn nicht eine Pianistin engagierten. Die Antwort des Duos lautete, dass es beim Projekt Ganymed Fe Male um mehr gehe, als ums Geschlecht. Ziel sei es, auf dem Weg der Kunst die Befreiung der menschlichen Existenz zu erlangen.- Gestaltung: Christa Eder

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Ganymed Fe Male im KHM

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