Andy Warhol, 1969

ASSOCIATED PRESS

Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Leiterin des Dommuseums Wien. "Meister der Oberfläche" - Zum 30. Todestag von Andy Warhol. Gestaltung: Alexandra Mantler

Auf einem hochformatigen Blatt ist in kindlicher Zeichenweise ein Bub zu sehen. Er steht im Bildzentrum und bohrt frech mit einer überdimensionalen Hand in der Nase. Ein ungewöhnliches Motiv für eine Zeichnung.

Kein Wunder also, dass die konservative Jury der Pittsburger Künstlervereinigung im Jahr 1949 empört reagierte, als sie dieses "Selbstporträt als Nasenbohrer" vorgelegt bekam. Es sei moralisch fragwürdig und künstlerisch minderwertig, war man überzeugt. Eingereicht hatte es ein zwanzigjähriger Kunststudent mit dem Namen Andrew Warhola. Als das Blatt dann auf dem Unicampus abseits der eigentlichen Ausstellung doch ausgestellt wurde, sorgte es für mehr Besucherinteresse als die Schau der Künstlervereinigung. Bereits damals zeigten sich die Lust an der Provokation, die Originalität und der Humor jenes Künstlers, der später als Andy Warhol zum Pop-Star der Kunstszene aufstieg.

Andy Warhol schuf ein Leben lang Selbstporträts, sie gehören zum Kern seiner künstlerischen Arbeit. Einmal überzog er in den 1970er Jahren sogar ganze Museumswände mit der tausendfachen Vervielfältigung seines Kopfes.

Die lebenslange Selbstdarstellung ist eigentlich erstaunlich. Denn als Kind war der Sohn osteuropäischer Einwanderer in Pittsburgh nicht nur arm, sondern vor allem ständig krank und extrem schüchtern. Über ein Jahr lang lag er in Folge der sogenannten Veitstanz-Erkrankung im Bett. Auch später kämpfte er noch mit den Spuren der Krankheiten in Form von Pigmentstörungen und Hautirrationen. Mit seinem Äußeren war er nie zufrieden. Spitznamen wie der "Rotnasige" oder "Fleck" hatten seine Jugend geprägt, schrieb er in den autobiografischen Notizen.

Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten dieses vielschichtigen Künstlers, dass er sich immer wieder ins Zentrum seiner Kunst stellte und dennoch wenig von sich preis gab.

Besonders überzeugend ist, dass Andy Warhol einen Weg gefunden hat, positiv mit seiner Unsicherheit und seiner Verletzlichkeit umzugehen. Denn letztendlich wurden sie ihm zum Motor seines künstlerischen Schaffens. Die Kunst gab ihm die Möglichkeit, sich selbst immer wieder neu und anders zu sehen. Im Form von Porträts in Rot, Blau, Grün und Gelb.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Lou Reed
Album: THE VELVET UNDERGROUND
Titel: Pale blue eyes
Ausführende: The Velvet Underground /Gesang m.Begl.
Länge: 02:00 min
Label: Universal/Polydor 5312522

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