Zwischenruf

von Oberkirchenrat Johannes Wittich (Wien)

Traumfabrik

Vor einigen Tagen sind sie wieder vergeben worden, die Oscars, prestigeträchtige Preise für Filmschaffende. Hollywood, die Traumfabrik feierte, wie jedes Jahr, mit Glanz und Glamour sich selbst, bediente Erwartungen und Klischees.

Abendroben wurden diskutiert, vermeintliche und tatsächliche Rivalitäten zwischen Schauspielern und Schauspielerinnen thematisiert, und vor allem eines: sehr, sehr viel Geld ausgegeben. Filme zu machen ist eben nicht nur eine Kunstform, sondern auch eine Industrie. Die davon lebt, Illusionen zu produzieren und zu verkaufen. Weil Menschen sich gerne für einen Moment einmal in eine andere Welt versetzen lassen, Personen erleben möchten, die es im richtigen Leben so gar nicht gibt, die aber trotzdem anbieten, den eigenen Horizont zu erweitern, über das eigene Leben hinauszudenken.

Imaginäre Welten, die Filme uns vermitteln, und gleichzeitig durch diese imaginären Welten vermittelte Botschaften, die es wert sind, in der Realität, in unserer Realität anzukommen - darum geht es in Filmen, zumindest in solchen, die gut sind. Und das ist auch bei den Oscarverleihungen zu spüren, wo es jedes Jahr nicht nur um künstlerische oder technische Qualität, sondern auch eben um die Botschaft von Filmen geht, um Statements, gerne auch politische, in unsere Zeit und Situation hinein.

So mag es enttäuscht haben, dass eine österreichisch-deutsche Koproduktion leer ausgegangen ist. Dass der Oscar für den besten fremdsprachigen Film einem Beitrag aus dem Iran verliehen wurde, also einem Land, dessen Bewohnerinnen und Bewohnern der amtierende amerikanische Präsident den Zutritt in die USA verweigern möchte, ist von politischer Relevanz, und auch Brisanz. Mit dieser Entscheidung wurde Stellung bezogen, vorbildhaft Sachlichkeit und Fairness gezeigt im bewussten Kontrast zu einem Präsidenten, der von solchem Verhalten offensichtlich wenig hält.

Aber auch das "Konsumieren" von Traumwelten hat Einfluss auf die Realität des Konsumenten, der Konsumentin. Ich kann mich in meine Traumwelt zurückziehen und den Anschluss zur Realität verpassen. Ich kann aber auch mich durch Träume inspirieren lassen, und dann versuchen, meine Realität ein wenig im Sinne meiner Träume zu verändern.
Auch in der Bibel gibt es immer wieder Beschreibungen von Traumwelten, von solchen, die es einmal gegeben haben mag, wie dem Garten Eden, oder solchen, die noch kommen könnten, wie in den Reden der Propheten oder, besonders, im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Gerade dort haben die Bilder durchaus die Qualität eines opulenten Actionfilms mit vielen "special effects".

Aber auch feine Zwischentöne werden angeschlagen, wie in einer Love Story. Zum Beispiel an der Stelle, wo ein Augenblick in der Zukunft beschrieben wird, in dem Gott alle Tränen abwischen, wo es kein Leid mehr geben wird und alles einen guten Neuanfang findet. Bilder, von denen sich Menschen immer wieder haben inspirieren lassen. Weil diese Bilder getröstet haben, Hoffnung zu wecken vermochten. Hoffnung auf ein friedlicheres, gerechteres, menschenwürdigeres Leben, Hoffnung auf eine friedlichere, gerechtere, menschenwürdigere Welt.

Religion ist, wenn man so will, auch eine "Traumfabrik." Durch Glauben und Religion können wir aus dem Alltag heraustreten, spirituell uns bereichern lassen. Um Kraft und Inspiration zu gewinnen für den Weg zurück in den Alltag. Der dann nicht mehr der selbe ist wie zuvor. So, wie es sich anfühlt, wenn man nach einem guten Film aus dem Kino herauskommt und feststellen muss: Durch das, was ich gerade erleben durfte, bin auch ich jetzt ein wenig anders geworden.

"Here's to the ones who dream, foolish as they may seem" lautet eine Liedzeile aus dem Musicalfilm "La La Land" dem großen "Abräumer" der heurigen Oscarverleihung. "Auf die, die träumen, so naiv sie auch scheinen mögen", könnte man diesen Satz übersetzen. Auf die, die zu träumen wagen - und dadurch die Realität eine andere werden lassen.

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