Cornelius Hell

Cornelius Hell - ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Cornelius Hell und die Liebe zur Orgel

"Die Orgel war die erste Liebe meines Lebens, sie brach über mich herein, noch bevor ich zur Liebe zu einem Mädchen fähig war", bekennt der Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Hoch klingt das Lied vom braven Mann, Wie Orgelton und Glockenklang, so beginnt eine Ballade von Gottfried August Bürger. Auch heute steht die Orgelmusik noch für das Feierliche und Erhabene, für Jubel und Lobpreis. Wer selbst einmal Orgel gespielt und diesen Klang erzeugt und dabei gespürt hat, wie die mächtige Fensterscheibe einer Kirche davon gebebt hat, der versteht das gut. Es waren oft einzigartige Augenblicke, wenn ich mit dem Orgelklang eins war.

Ich kann nicht leben ohne Ekstasen. Die ersten meiner Ekstasen verdanke ich dem Orgelspiel. Von diesem Spiel freilich ist nicht viel geblieben. Das Stück etwa, das ich zur Musikmatura gespielt habe, würde ich auch mit langem und eingehendem Üben nicht mehr zustande bringen. Und doch ist mehr davon geblieben als Erinnerung.

Ich lebe noch immer in den Stücken, die ich einmal gespielt habe. Da ist etwa die Bach-Fuge in c-moll nach einem Thema von Legrenzi. Wenn ich die Noten ansehe, wundere ich mich, dass ich das einmal gespielt habe. Aber der Anfang, das Thema, das nur aus fünf Noten und einem einzigen Intervall besteht, hat sich immer wieder bei mir gemeldet: an einem Strand, in der Straßenbahn oder beim Spazierengehen. Dieses rhythmisch geprägte erste Thema und das melodiöse zweite und wie sie dann zusammen- und gegeneinander geführt werden, das lässt mich nicht los, und wenn diese Themen über mich kommen, ja mich geradezu unvorbereitet überfallen, dann rufen sie mich aus dem täglichen Einerlei in die Einzigkeit eines Augenblicks. Und dann weiß ich, dass die vielen Stunden in dunklen Kirchen nicht umsonst waren und dass das beharrliche Üben mir eine Musik eingeschrieben hat, die mich nicht verlässt.

Und in meiner Wohnung habe ich wenigstens ein Harmonium, auf dem ich natürlich keine Bach-Fugen spielen, aber doch einen kleinen, privaten Nachklang meiner Orgelerlebnisse erzeugen kann. Und daran können auch meine Kinder teilnehmen. Ja, ohne die Musik wäre das Leben ein Irrtum - dieses Nietzsche-Zitat hat mir immer eingeleuchtet. Darum bin ich glücklich, wenn mir die Orgelklänge zu Hilfe kommen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Komponist/Komponistin: Giovanni Legrenzi/1626 - 1690
Album: JOHANN SEBASTIAN BACH: DAS ORGELWERK
Titel: Fuge für Orgel in c-moll BWV 574 über ein Thema von Giovanni Legrenzi
Solist/Solistin: Simon Preston /Orgel
Länge: 02:00 min
Label: DG 4694202 / 4694262 ( 14 CD )

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