Ann-Marlene Henning

NELE MARTENSEN

Im Gespräch

"Sex macht Spaß!" - Ann-Marlene Henning, Sexologin

"Ich muss mich erst selbst mögen, bevor es jemand anderer tut" - Renata Schmidtkunz im Gespräch mit Ann-Marlene Henning, Psychologin, Sexologin, Fernseh-Moderatorin und Autorin

Nördlich von Göteborg, in Westschweden, liegt die kleine Ortschaft Tanum. Was die Gemeinde besonders macht, ist ein Fund aus einer längst vergangenen Zeit, die sogenannten Felsritzungen von Tanum. Sie sind etwa 3000 Jahre alt und stammen aus der Bronzezeit. Sie geben überraschenden Aufschluss über das religiöse und soziale Leben ihrer Zeit. An einem der Fundorte, die 1994 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden, findet sich neben den vielen Darstellungen von Schiffen, Personen und Tieren auch die eines Brautpaares, des "Brautpaares von Vitlycke". Zu sehen ist ein eng umschlungenes Paar. Der Mann trägt ein Schwert, sein Phallus ist deutlich zu erkennen - wohl auch als Status-Symbole seiner Männlichkeit. Die Frau erkennt man lediglich an ihrer Frisur, einem Pferdeschwanz. Das Paar ist einander zugewandt, sie scheinen sich zu küssen und der Penis des Mannes strebt der Vagina der Frau entgegen.

Knappe 800 Kilometer südlich vom Fundort taucht das Bild des Brautpaares wieder auf: es ist das Logo der Hamburger Praxis der Paar-Therapeutin und Sexologin Ann-Marlene Henning. "Mir gefällt die simple Art und Weise, mit der die Felsritzung die körperliche, aber auch geistige Verbundenheit dieses Paares zeigt", sagt Henning. Es sei für sie wichtig gewesen, ein ästhetisch ansprechendes Symbol zu finden, das nicht "platt oder abgedroschen" sei. Verständlich bei einer Praxis, die sich der Sexual-Beratung verschrieben hat. Einer Thematik also, die sowohl omnipräsent zu sein scheint, aber auch ein Tabuthema ist. Denn vielen treibt das Thema gelebte Sexualität bei aller Pornographisierung unserer Gesellschaft immer noch die Schamesröte ins Gesicht. Vielleicht wird es gerade deswegen oft nur plakativ, oberflächlich und plump abgehandelt.

Seit die 1964 in Viborg, Dänemark geborene Ann-Marlene Henning 2012 gemeinsam mit der Journalistin Tina Bremer-Olszewski das Buch "Make Love - Ein Aufklärungsbuch" veröffentlicht hat, ist sie die bekannteste Sexologin Deutschlands. Während dieses erste Buch hauptsächlich an Jugendliche gerichtet war, wandte sich das zweite "Make More Love", das sie 2014 mit Anika von Keiser veröffentlichte, speziell an Erwachsene. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobte den "Anspruch einer achtsamen Erkundung der eigenen Sexualität" in "Make Love".

Mit welcher Achtsamkeit und Ernsthaftigkeit bei aller Leichtigkeit Henning sich dem Thema Sexualität widmet, zeigt sich auch in der seit 2013 produzierten Fernsehreihe "Make Love", die 2017 für den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Bestes Infotainment" nominiert war. Auch dort berät und begleitet sie Paare, deren anfänglich aufregendes Sex-Leben vom Alltag eingeholt wurde.

Henning ist medial begabt und beeindruckt durch ihre aufgeschlossene, fröhlich ansteckende Neugierde. Und diese Neugierde ist es wohl auch, die es anderen ermöglicht, sich ihr - und damit auch den Zuschauenden - gegenüber zu öffnen und einen neuen Blick auf das Thema zu bekommen.

Im Leben der akademischen Neuropsychologin gab es aber auch dunkle Seiten: 1996 wurden mehrere lebensbedrohliche Hirn-Aneurysmen diagnostiziert. Die notwendige Operation verlief gut. Doch die Zeit danach war schockierend: die starke Medikation machte sie fast abhängig. Als sich herausstellte, dass Henning schwanger war, musste sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen: die Medikamente hatten das ungeborene Kind wahrscheinlich geschädigt. Henning entschied sich für eine Abtreibung. Ihre Ehe, die sich schon lange in einer Krise befand, zerbrach daran. Über all das spricht die Sexualtherapeutin offen und öffentlich. Weil sie es für wichtig hält - und weiß, dass viele Menschen solche Lebensdilemmata zu bewältigen haben.

Nun hat Ann-Marlene Henning ein neues Buch veröffentlicht: "Liebespraxis. Eine Sexologin erzählt".
"Alle scheinen alles über Sex zu wissen, und dennoch hat nicht jeder den Sex, der ihn oder sie glücklich macht. In unserer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft sind die wahren Tabus das Schweigen, die Unsicherheiten und die Wissenslücken in unseren privaten Beziehungen", so Henning. Was sie diesen Tabus entgegen hält? Offene, humorvolle und befreiende Gespräche über die schönste Sache der Welt!

Simon Pötschko, freier Mitarbeiter Ö1

Service

Ann-Marlene Henning, "Liebespraxis: Eine Sexologin erzählt ", Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2017

Ann-Marlene Henning mit Anika von Keiser, "Make More Love", Fotografien von Ruth Erdt u. a., Rogner & Bernhard, Berlin, 2014

Ann-Marlene Henning mit Tina Bremer-Olszewski, "Make Love: Ein Aufklärungsbuch", Fotografien von Heji Shin, Rogner & Bernhard, Berlin 2012

Praxis Doch noch - Beratung in Beziehungsfragen - Ann-Marlene Henning
Make Love - Liebe kann man machen lernen

Sendereihe

Gestaltung