Radiokolleg - Wilde Wasser
Wilde Wasser
Vom Wert natürlicher Flüsse für Natur und Mensch (4). Gestaltung: Sonja Bettel und Juliane Nagiller
13. Juli 2017, 09:05
Wer in Mitteleuropa an einen Fluss denkt, hat meist ein gleichmäßig dahinfließendes Wasserband vor Augen, dessen geradlinige Ufer zum Schutz vor Hochwasser und Erosion verbaut sind. Das ist kein Wunder, denn die meisten Flüsse, die durch Siedlungsräume fließen, sehen so aus. In Wahrheit sind das aber keine Flüsse, sondern Kanäle, die das Wasser rasch abtransportieren.
Wie ein natürlicher Fluss aussieht, wie er riecht und sich anhört, kann man manchmal bei einer Wanderung im Gebirge erleben oder bei einem Ausflug in eine Au, in eine Schlucht oder an ein naturbelassenes Teilstück eines Flusses. Natürliche Flüsse bilden Schlingen, Seitenarme, Schotterbänke, Steilufer, Strudel und Tümpel. Sie ändern ihre Wasserführung und ihre Gestalt mit den Niederschlägen, schichten Ablagerungen um, zerstören und schaffen neuen Lebensraum.
Diese schwierigen Bedingungen und häufigen Veränderungen haben einen großen Artenreichtum spezialisierter Pflanzen, Fische, Lurche, Insekten und Vögel entstehen lassen. In einem rasch dahinfließenden Strom, der immer wieder von Querbauwerken - zumeist Kraftwerken und ihrer Infrastruktur - unterbrochen wird, können sie nicht überleben. Natürliche Flüsse sind deshalb wesentlich für die Erhaltung vieler Arten und für die Biodiversität insgesamt.
Sie sind aber auch für den Menschen wichtig, denn ein natürlicher Fluss ist nicht nur ein Biotop, also ein Lebensraum, sondern auch ein Psychotop - ein Erlebensraum. Doch dieser Raum ist in Gefahr, vor allem in Zeiten, in denen nach "klimafreundlicher" Energieproduktion gerufen wird. Flüsse und Flussstrecken, die aus geopolitischen Gründen in den vergangenen Jahrzehnten "vergessen" wurden und deshalb natürlich geblieben sind, sind nun ins Blickfeld der Kraftwerksbauer geraten. Vor allem am Balkan versuchen Wirtschaft und Politik, aufzuholen.
Für die letzten natürlichen Flüsse und Flussstrecken Europas, wie die Vjosa in Albanien, den Tagliamento in Italien oder das Gebiet von Mur, Drau und Donau sind zahlreiche Kraftwerke geplant, die die Natürlichkeit zerstören würden. Umweltschützer/innen, Wissenschafter/innen, NGOs und Anrainer/innen kämpfen deshalb gemeinsam für die Rettung der letzten wilden Wasser.
Service
Bücher
Werner Freudenberger: Am Tagliamento. Entdeckungen zwischen Alpen und Adria, Styria Verlag 2017
Franz Maier, Gudrun Kößner: Schluchtwege. Steyrschlucht - Krumme Steyrling - Rinnende Mauer. Kleiner Naturkundlicher Führer, Österreichischer Alpenverein 2013
Gregory Egger, Klaus Michor, Susanne Muhar, Beatrice Bednar (Hrsg): Flüsse in Österreich. Lebensadern für Mensch, Natur und Wirtschaft, Studien Verlag 2009
Werner Gamerith: Kamptal. Die Natur einer Kulturlandschaft, Verlag Berger 2012
Klement Tockner, Urs Uehlinger, Christopher T. Robinso: Rivers of Europe, Academic Press 2008
Weblinks
Lebendiger Kamp
WWF
Flüsse voller Leben
Steyrschlucht
Mur Drau Donau
Grenzmur
Amazon of Europe
Save the Mura
RiverWatch
Save the Blue Heart of Europe
EcoAlbania
Sendereihe
Gestaltung
- Sonja Bettel
- Juliane Nagiller