Aufgeschlagener Mutterkindpass

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Schwangerschaft als Zerreißprobe

Wenn vorgeburtliche Untersuchungen zu einer "auffälligen" Diagnose führen

Schwangere Frauen werden in Österreich gesundheitlich durch diverse Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes begleitet. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, weitere vorgeburtliche Untersuchungen durchführen zu lassen, die jedoch nicht von der Sozialversicherung finanziert werden. Die so genannte Pränataldiagnostik umfasst unter anderem die Messung der Nackentransparenz, die Chorionzottenbiopsie (Gewebeprobe wird aus Mutterkuchen entnommen), die Fruchtwasserpunktion und ein Organ-Ultraschall. Alle diese Methoden haben zum Ziel, zu erkennen, ob bestimmte Erkrankungen, Fehlbildungen oder Behinderungen beim ungeborenen Kind vorliegen. Manche Defekte, die noch vor kurzem lebensbedrohlich waren, können dadurch mittlerweile behandelt werden - und zwar direkt im Mutterleib. Dazu zählen ein Harnröhrenverschluss ebenso wie bestimmte Herzfehler, Zwerchfellanomalien oder verbundene Blutkreisläufe bei Zwillingen. Das Ungeborene kann auch mit Medikamenten über die Nabelschnur versorgt werden. Andererseits: Für viele der entdeckten Krankheiten gibt es keine oder nur unzureichende Therapien - etwa für genetische Erkrankungen, Stoffwechsel- und Chromosomenstörungen (z.B. Down Syndrom) oder Neuralrohrdefekte (Schädel oder Wirbelsäule sind nicht ganz geschlossen).

Eine enorm schwierige Entscheidung

Frauen und ihre Partner stehen nach der Diagnose von schweren Erkrankungen oder Fehlbildungen vor der unglaublich schwierigen Entscheidung, ihr Kind zur Welt zu bringen oder einen Abbruch zu machen.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich auch nach den ersten drei Monaten möglich (bis zum Geburtsbeginn), "wenn er zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist (medizinische Indikation) oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde (embryopathische Indikation)". Die meisten Frauen in Österreich entscheiden sich nach der Diagnose einer schweren Erkrankung oder Behinderung für einen Abbruch - einige aber auch für das Kind.

Psychologische Begleitung besonders wichtig

Was in dieser schwierigen Zeit alle Betroffenen sowie ihre Partner unbedingt brauchen, sind einfühlsame Ärztinnen und Ärzte, Hebammen sowie nicht zuletzt Betreuung durch speziell ausgebildete Psychologinnen. Sie stehen der Schwangeren ab der Diagnose zur Seite. Eine ihrer wesentlichsten Aufgaben ist es, die Frauen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen (Abbruch ja/nein), sodass im Nachhinein keine oder wenige Schuldgefühle und andere psychische Symptomatiken entstehen.
Leider gibt es in Österreich noch zu wenige dieser Angebote und vor allem auch an geeigneten, finanziell leistbaren Therapieplätzen für die Zeit nach dem Ereignis mangelt es.

Gesellschaftliche Normen

Für unsere beiden Sendungsgäste, die Psychologinnen Mag.a Anita Weichberger und ao. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger, steht im Zentrum aller Diskurse rund um das Thema Pränataldiagnostik das Wohlbefinden der betroffenen Frau sowie deren Recht auf Selbstbestimmung. Unser dritter Gast, der Autor und Regisseur Mag. Thomas Fürhapter, sieht in den Möglichkeiten, die sich dadurch auftun, auch den Ausdruck einer Gesellschaft, die sich der Norm verschrieben und in der Behinderung wenig Platz hat. Thomas Fürhapter hat seine Überlegungen in einen Film fließen lassen. "Die dritte Option" kommt am 15. September in die österreichischen Kinos.

Haben Sie eine Schwangerschaft abgebrochen? Was war der Grund?
Haben Sie sich dafür entschieden, Ihr erkranktes Kind zur Welt zu bringen?
Haben Sie Ihre Entscheidung je bereut?
Welche Pränatal-Untersuchungen haben Sie durchführen lassen und warum?
Finden Sie, dass unsere Gesellschaft wohlwollend und fürsorglich mit behinderten Menschen umgeht?

Reden Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Mag. Nora Kirchschlager

Service

Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger
Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen
Dietrichgasse 25
1030 Wien
+43 (0) 1 4072671-0
BÖP

Mag.a Anita Weichberger
Klinische und Gesundheitspsychologin
Meduni Wien/AKH
Uniklinik für Frauenheilkunde
Klin. Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin
Klinisch psychologische Ambulanz
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
+43 (0)1 40400/61022
E-Mail
Klinisch psychologische Ambulanz

Mag. Thomas Fürhapter
studierte Psychologie und Philosophie
Autor und Regisseur - unter anderem des Films "Die dritte Option"
E-Mail
Die dritte Option

Pränataldiagnostik - Was? Wie? Wozu?
Beratungsstellen für Menschen mit einem behinderten Kind sowie nach einem Abbruch
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Österreichisches Hebammengremium
Bundesverband österreichischer PsychologInnen
Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie
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