Ö1 Kunstsonntag: Radiokunst - Kunstradio

"Semra Ertan - Ihre eigene Stimme" von Cana Bili-Meier

Im Rahmen der Ausstellung "How To Live Together" in der Wiener Kunsthalle hat die Künstlerin und Filmemacherin Cana Bilir-Meier die Audio- und Radioarbeit "Semra Ertan - Ihre eigene Stimme," entwickelt. Basierend auf Archivaufnahmen ihrer aus der Türkei stammenden Familie setzt sich Cana Bilir-Meier mit der Geschichte der Schriftstellerin und politischen Aktivistin Semra Ertan auseinander.

Semra Ertan zog 1972 als 16-Jahrige von der Türkei zu ihren Eltern nach Deutschland, wo sie eine Ausbildung absolvierte und als technische Bauzeichnerin sowie als Dolmetscherin arbeitete. Parallel schrieb sie Gedichte, die unter anderem ihre Erfahrungen als Migrantin thematisierten. Nach zahlreichen diskriminierenden wie enttäuschenden Erlebnissen verbrannte sich Semra Ertan 1982 in Hamburg, um ein Zeichen gegen die herrschende Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu setzen.

Das Material, das Cana Bilir-Meier für die Radioarbeit verwendet, stammt aus dem Archiv ihrer Familie. Über Generationen wurden zahlreiche Fotografien, Notizhefte, Briefe und Zeitungsartikel gesammelt, die private Momente der Familie wie auch öffentliche Berichte über den Protest Semra Ertans dokumentieren. In ihrem Film collagiert Cana Bilir-Meier eine Auswahl von Semra Ertans Gedichten mit Aufnahmen aus der Zeit und dekonstruiert so dramatisierende Bilder, wie sie öffentliche Medien einsetzen. Semra Ertan - Ihre eigene Stimme basiert auf Tonbandaufnahmen, die Gani Bilir nach dem Tod seiner Tochter herstellte.

In Auseinandersetzung mit dem Material entwickelt Cana Bilir-Meier ihren eigenen Blick auf Fragen um Migration und Repräsentation. Als persönliche Erzählung verweist diese auch auf die Geschichten zahlreicher "Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen", die im Zuge des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei ab den 1960er Jahren umsiedelten.

Die Lebensbedingungen der Migrant/innen, denen oftmals nur ein befristeter Aufenthalt zuerkannt wurde, waren von ausbeuterischer Arbeit und einem rassistischen Klima geprägt. Die Perspektive dieser Geschichten macht deutlich, dass das Fremde auch etwas ist, zu dem Menschen gemacht werden.

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