Saskia Jungnikl

RAFAELA PRÖLL

Gedanken für den Tag

Saskia Jungnikl über das Leben und die Angst vor dem Tod

"Eine Reise ins Leben". Saskia Jungnikl, österreichische Journalistin und Autorin, redet darüber, wie man weitermachen kann, wenn man Menschen verliert und anderen in ihrer Trauer helfen kann. Gestaltung: Alexandra Mantler

Es ist paradox: Noch nie hatte der Mensch so viele Dinge, die ihm Zeit ersparen und noch nie hatte er dennoch so sehr das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben. Der Mensch ist gehetzt. Er isst im Gehen, er checkt seine E-Mails, während er in der U-Bahn sitzt, er telefoniert im Fitness-Center. Noch nie hatten wir so viel Lebenszeit zur Verfügung wie heute. Die Lebenserwartung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verlängert, die Arbeitszeit hat sich verringert, die Wegzeiten sind kürzer und sogar die Schrittgeschwindigkeit von Menschen in Industrieländern hat innerhalb eines Jahrzehnts um zehn Prozent zugenommen. Gleichzeitig nutzen wir diese Zeit nicht für Pausen sondern wir stopfen sie zu. Je mehr Zeit wir haben, desto mehr Zeit verplanen wir. Wer sitzt schon mal eine Stunde herum und tut absolut gar nichts? Es käme einem vor wie verschwendete Zeit und doch: was ist schlecht an verschwendeter Zeit?

Je älter wir werden, desto schneller verfliegt unsere Lebenszeit. Leben wird zur Routine und je routinierter wir werden, desto weniger Neues muss unser Geist verarbeiten. Die Zeit scheint wie nichts zu vergehen. Was kann man dagegen tun? Oder anders gefragt: Wenn ich Dauer subjektiv empfinden und beeinflussen kann, ist es dann möglich, mir selbst durch objektives Zeitgefühl ein längeres Leben vorzugaukeln? Ja, das geht. Je mehr Neues und Emotionales man erlebt, desto mehr prägt sich im Gedächtnis ein - und desto stärker entschleunigt sich das Leben rückblickend. Jeder kann die gefühlte Zeit abbremsen. Wir sind unsere Zeit. Wir füllen sie mit Dingen und welchen Sinn haben diese Dinge, wenn wir währenddessen nicht mal bei der Sache sind? An je mehr Ereignisse wir uns erinnern, desto länger kommt uns eine Zeitspanne vor. Also lasst uns Ereignisse schaffen! Jene, die es wert sind, dass wir uns daran erinnern.

Service

Buch, Saskia Jungnikl, "Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden", Fischer-Verlag

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Camille Saint Saens/1835 - 1921
Album: NOCTURNE - DAS ORCHESTRE D'AUVERGNE SPIELT BEKANNTE STÜCKE
Titel: Andantino aus dem Oratorium "Le Deluge" op.45 - für Violine und Orchester
Orchester: Orchestre d'Auvergne
Ausführender/Ausführende: Gordan Nikolitch /Violine
Leitung: Jean Jacques Kantorow
Länge: 02:00 min
Label: Denon CO 75596

weiteren Inhalt einblenden