Bischof Michael Bünker

APA/GEORG HOCHMUTH

Gedanken für den Tag

Michael Bünker über die Sprengkraft der 95 Thesen

"Der Funken an der Lunte". Aus Anlass des Reformationsjubiläums und wegen ihrer erstaunlichen Aktualität lohnt es sich, noch 500 Jahre später einen Blick auf die "95 Thesen" zu werfen, meint Michael Bünker, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Im österreichischen Staatsarchiv am Minoritenplatz in Wien liegt ein besonderes Blatt, 40 mal 28 Zentimeter groß und ganz eng bedruckt. Das sind die 95 Thesen Martin Luthers zu Ablass und Gnade, natürlich auf Lateinisch. Gedruckt wurden sie bei Hieronymus Höltzel in Nürnberg. Eine Rarität, es gibt nur mehr ganz wenige Exemplare, die erhalten geblieben sind. Das Staatsarchiv hat diesem Druck die Signatur SB Reformationsschriften 1 gegeben, die Nummer eins also, mit der alles begonnen hat.

Plötzlich war Luther bekannt. Bis dahin hatte er als Professor an der Universität Wittenberg nur wenig publiziert, aber seine 95 Thesen wurden an vielen Orten in Europa nachgedruckt und verbreiteten sich in wenigen Wochen. Der von Johannes Gutenberg erfundene Buchdruck mit beweglichen Lettern machte es möglich. Wie das genau vor sich gegangen ist, lässt sich nicht mehr erhellen. Luther scheint selbst überrascht worden zu sein. Hier griff das über ganz Europa gespannte Netzwerk der Humanisten und Intellektuellen, die untereinander einen regen Austausch pflegten. Auch wenn der Inhalt von Luthers Thesen gar nicht so neu und unbekannt war, dürfte man gespürt haben, dass sich hier eine Fundamentalkritik an der Kirche der damaligen Zeit abzeichnete. Von einem "publizistischen Erdbeben" ist die Rede, von einem Medienereignis, das man sich bis dahin gar nicht vorstellen konnte. Wie ein Lauffeuer, ein Flächenbrand, der sich von selbst ausbreitet. So kamen die 95 Thesen wohl auch nach Wien.

In der Einleitung schreibt Luther: "Aus Liebe zur Wahrheit und im Verlangen, sie zu erhellen, sollen die folgenden Thesen disputiert werden." Das war ja seine Absicht: eine akademische Diskussion zu führen, Argumente auszutauschen, auch die eigene Meinung und Position der Kritik auszusetzen. Denn die Liebe zur Wahrheit verlangt nicht nach einem Diktat, sondern nach einem Dialog.

Service

Ö1-Archiv: 500 Jahre Reformation

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Bearbeiter/Bearbeiterin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Komponist/Komponistin: Johann Christian Bach/1735 - 1782
Titel: Konzert für Klavier und Streicher in D-Dur KV 107 Nr.1
* Andante - 2.Satz (00:04:00)
Gesamttitel: Drei Konzerte für Klavier und Streicher KV 107 Nr.1 - 3 nach drei Sonaten von Johann Christian Bach
Klavierkonzert
Solist/Solistin: Murray Perahia /Klavier
Orchester: English Chamber Orchestra
Leitung: Murray Perahia
Länge: 02:00 min
Label: CBS 39222

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