Senegalesische Flüchtlinge in einem Schlauchboot

AP/SANTI PALACIOS

Wien Modern 2017 - Eröffnungskonzert live

ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Cornelius Meister; Arnold Schoenberg Chor; Wiener Sängerknaben; Sarah Wegener, Sopran; Dietrich Henschel, Bariton; Sven-Eric Bechtolf, Sprecher.
Hans Werner Henze: "Das Floß der Medusa. Oratorio volgare e militare in due parti" (1968) ca. 20.15 (in der Pause) Interviews mit Hans Werner Henze aus den Jahren 1968 und 2003 Bernhard Günther, Künstlerischer Leiter von "Wien Modern" im Gespräch mit Rainer Elstner (Übertragung aus dem Großen Konzerthaussaal in Wien in Dolby Digital 5.1 Surround Sound). Präsentation: Rainer Elstner

Das Werk der Stunde

Der Schiffbruch der "Medusa" war für viele Künstler ein symbolträchtiges Zeugnis: für den Maler Théodore Géricault, der die Rettung einer Handvoll Überlebender auf einem monumentalen Gemälde festhielt; für den Schriftsteller Peter Weiss, der seine Begegnung mit Géricaults Gemälde in dem Roman "Die Ästhetik des Widerstands" schilderte; für den Österreicher Franzobel, der 2017 einen "Medusa"-Roman veröffentlicht hat; und für den Komponisten Hans Werner Henze, der den Vorfall 1967/68 in einem Oratorium dramatisierte.

Die "Medusa" war das Flaggschiff eines französischen Geschwaders, das 1816 von La Rochelle aus in See stieß, um die englische Kolonie Senegal wieder in französischen Besitz zu nehmen. Kurz vor dem Ziel erlitt die "Medusa" Schiffbruch. Rasch waren die Rettungsboote von ranghohen Besatzungsmitgliedern und Beamten der Grande Nation besetzt; für die Mehrzahl der Seeleute und Passagiere blieb nur ein Floß. 154 drängten sich drauf, als man das Schiff verließ. Zunächst wollte man das Floß im Schlepptau mit an Land nehmen, doch da es sich als nicht manövrierbar erwies, kappten die Offiziere die Taue und überließen die Schiffbrüchigen der offenen See. Die Offiziere erreichten nach einem Tag das rettende Land, veranlassten dort aber nicht die Suche nach dem Floß; als es 13 Tage später durch bloßen Zufall gesichtet wurde, waren nur noch 15 der Schiffbrüchigen am Leben. Deren Martyrium schilderten zwei der Überlebenden in einem aufwühlenden Tagebuch. Historiker gehen davon aus, dass die haarsträubende Erzählung vom selbstsüchtigen und unverantwortlichen Verhalten der Befehlshaber zur Befeuerung der Julirevolution beitrug, die 1830 die Bourbonendynastie in Schutt und Asche legte.

Hans Werner Henze hat den Skandal um die "Medusa" in einem abendfüllenden und bewegenden Oratorium verewigt. Der Komponist und sein Librettist Ernst Schnabel deuteten die Begebenheit als Parabel auf das gesellschaftliche Gefälle zwischen Gewinnern und Verlierern des Kapitalismus. "Das Floß der Medusa" traf bei der geplanten Uraufführung 1968 in Hamburg auf eine politisch derart aufgeheizte Atmosphäre, dass es zum Eklat kam: Zwei Stunden lang lieferten sich Publikum, Chormitglieder und Komponist Schreiduelle, bis die Polizei kam. Die Uraufführung im Konzertsaal erfolgte erst am 29. Jänner 1971 im Wiener Musikverein durch das damalige ORF-Symphonieorchester.

Heute darf "Das Floß der Medusa" angesichts der Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer als "Werk der Stunde" gelten. Das Orchester umfasst seltene Instrumente wie Ofiklëiden, Heckelphon und Oboe d'amore, die eine ungemein vielfarbige und schillernde Musik mit anklagenden, aber auch mit poetischen Momenten hervorbringen. Ein Sprecher erzählt die Geschichte, ein Bariton singt den Part des Überlebenden Jean-Charles, der Sopran verkörpert den Tod, "la mort". Chor und Knabenchor werden szenisch eingesetzt. (...) (Christoph Becher)

Service

Diese Sendung wird in Dolby Digital 5.1 Surround Sound übertragen. Die volle Surround-Qualität erleben Sie, wenn Sie Ö1 unter "OE1DD" über einen digitalen Satelliten-Receiver und eine mehrkanalfähige Audioanlage hören.

Louvre - Théodore Géricault, "Le Radeau de la Méduse"

Kurz vor Ende der Übertragung gab es leider ein technisches Gebrechen. Die vollständige Wiedergabe des Konzertes finden Sie hier.

Sendereihe

Gestaltung

  • Rainer Elstner

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: HANS WERNER HENZE/1926-2012
Gesamttitel: "Das Floß der Medusa", Oratorium für Sopran, Bariton, Sprechstimme, gemischten Chor, Knabenchor und Orchester mit einer Dichtung von Ernst Schnabel (1967-1968) - In memoriam Ernesto Guevara

Titel: TEIL 1 : Die Einschiffung zum Untergang
* Prolog des Charon
* Nr.1: Motto
* Nr.2: Order und Musterrolle
* Nr.3: Journal der Überfahrt
* Nr.4: Eine Antwort
* Nr.5: Versuche zur Rettung
* Nr.6: Die Ausschiffung
* Nr.7: Ballade vom Verrat
* Nr.8: Gesang mit neuen Stimmen
* Nr.9: Anweisungen für den zweiten Tag
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Chor: Arnold Schoenberg Chor
Choreinstudierung: Erwin Ortner
Chor: Wiener Sängerknaben
Choreinstudierung: Jimmy Chiang
Solist/Solistin: Sarah Wegener/Sopran (La Mort)
Solist/Solistin: Dietrich Hentschel/Bariton (Jean-Charles)
Solist/Solistin: Sven-Eric Bechtolf/Sprecher (Charon)
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 39:00 min

Komponist/Komponistin: HANS WERNER HENZE/1926-2012
Gesamttitel: "Das Floß der Medusa", Oratorium für Sopran, Bariton, Sprechstimme, gemischten Chor, Knabenchor und Orchester mit einer Dichtung von Ernst Schnabel (1967-1968) - In memoriam Ernesto Guevara

Titel: TEIL 2 : Die neunte Nacht und der Morgen
* Nr.10: Feststellung der Lage
* Nr.11: Motto
* Nr.12: Appell unter dem Mond
* Nr.13: Die Rechnung zum Tode
* Nr.14: Die Ballade vom Mann auf dem Floß
* Nr.15: Fuge der Überlebenden und Ankündigung der Rettung
* Nr.16: Finale
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Chor: Arnold Schoenberg Chor
Choreinstudierung: Erwin Ortner
Chor: Wiener Sängerknaben
Choreinstudierung: Jimmy Chiang
Solist/Solistin: Sarah Wegener/Sopran (La Mort)
Solist/Solistin: Dietrich Hentschel/Bariton (Jean-Charles)
Solist/Solistin: Sven-Eric Bechtolf/Sprecher (Charon)
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 33:00 min

Komponist/Komponistin: HANS WERNER HENZE/1926-2012
Titel: Fraternité. Air pour l'orchestre (1999) (aufgenommen am 28. Mai 2013 im Großen Musikvereinssaal in Wien)
Orchester: Sächsische Staatskapelle Dresden
Leitung: Christian Thielemann
Länge: 10:27 min
Label: Schott / Leihmaterial

Komponist/Komponistin: ROBERT SCHUMANN/1810-1856
Titel: Waldszenen op.82 - Neun Stücke für Klavier

* Nr.1 Eintritt: Nicht zu schnell (00:02:25)
* Nr.2 Jäger auf der Lauer: Höchst lebhaft (00:01:25)
* Nr.3 Einsame Blumen: Einfach (00:02:40)
* Nr.4 Verrufene Stelle: Ziemlich langsam (00:03:56)
* Nr.5 Freundliche Landschaft: Schnell (00:01:02)
* Nr.6 Herberge: Mäßig (00:02:04)
* Nr.7 Vogel als Prophet: Langsam, sehr zart (00:03:37)
* Nr.8 Jagdlied: Rasch, kräftig (00:02:57)
* Nr.9 Abschied: Nicht schnell (00:04:00)
Solist/Solistin: Mitsuko Uchida /Klavier
Länge: 24:16 min
Label: Decca/Universal 4785393

Komponist/Komponistin: ROBERT SCHUMANN/1810-1856
Titel: Waldszenen op.82 - Neun Stücke für Klavier
* Nr.2 Jäger auf der Lauer: Höchst lebhaft (00:01:25) (wurde ein 2. Mal gespielt!)
Solist/Solistin: Mitsuko Uchida /Klavier
Länge: 01:25 min
Label: Decca/Universal 4785393

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