Kolkraben

MATTHIAS-CLAUDIO LORETTO

Vom Leben der Natur

Intelligente Luftakrobaten

Der Verhaltensbiologe Matthias-Claudio Loretto erzählt über Kolkraben.
Teil 2: Flugverhalten der Junggesellen
Gestaltung: Nikolaus Scholz

Kolkraben haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten beim Umgang mit Artgenossen -
aktuelle Studien haben gezeigt, dass Raben zu den intelligentesten Vogel- bzw. Tierarten überhaupt gehören. Aber welche Faktoren beeinflussen die Evolution von Intelligenz? Gemäß einer gängigen Hypothese fördert das Leben in sozialen Gruppen die Evolution eines leistungsfähigeren Gehirns. Dies gilt vor allem dann, wenn Individuen davon profitieren, sich die Identität anderer und Interaktionen mit diesen zu merken. Dieses Wissen können Tiere nutzen, um Konflikten mit dominanten Artgenossen auszuweichen oder Allianzen zu bilden, die den Zugang zu Ressourcen erleichtern.

Der Verhaltensbiologe Matthias-Claudio Loretto vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien konnte in seinen Untersuchungen beobachten, dass sich einige nichtbrütende Kolkraben in relativ kleinen Gebieten aufhalten, während andere tausende Quadratkilometer pro Jahr durchstreifen. Dennoch treffen viele Individuen wiederholt bei reichhaltigen Nahrungsquellen (z.B. Mülldeponien, Kompostieranlagen) und gemeinsamen Schlafplätzen aufeinander. "Wir waren erstaunt über die Ähnlichkeit zu unserer Gesellschaft: Manche Menschen verbringen lieber ihr Leben in einer einzigen Stadt oder gar einem kleinen Dorf, andere hingegen genießen häufiges Reisen und Umziehen. Genauso ist es bei den Raben", erklärt Matthias-Claudio Loretto.

Sobald sich Raben versammeln, entstehen Freundschaften, jedoch kommt es auch oft zu heftigen, aggressiven Auseinandersetzungen, erzählt Matthias-Claudio Loretto: "Wenn ein Rabe sich einer Gruppe anschließt, kann es sehr nützlich sein, sich an vorhergehende Interaktionen mit diesen Artgenossen zu erinnern, um zu entscheiden, wer einem freundlich oder eher feindlich gesinnt ist. Die Kombination der beiden Faktoren - also Freundschaften bei Nichtbrütern und das Zusammenleben in derartig dynamischen sozialen Gruppen - dürfte die Intelligenz der Raben im Lauf der Evolution gefördert haben".

Service

INTERVIEWPARTNER:
Matthias-Claudio Loretto, PhD
Universität Wien
Department für Kognitionsbiologie

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