Installation, Klang- und Spiegelscheiben

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gedanken für den Tag

Brigitte Schwens-Harrant über Jonathan Swift

"Mit der Schärfe der Satire" - Zum 350. Geburtstag von Jonathan Swift regt die Germanistin, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche" Brigitte Schwens-Harrant zum Wiederlesen an. - Gestaltung: Alexandra Mantler

"Gullivers Reisen" sind großartig erlogen, das muss man dem Autor Jonathan Swift erst einmal nachmachen. Geformt hat der Schriftsteller seine satirischen Episoden wie zu seiner Zeit beliebte Reiseberichte. Gelesen wurden imaginäre Reisen im beginnenden 18. Jahrhundert ebenso gerne wie wahrhaftige Reiseberichte und solche, die das eine mit dem anderen fröhlich mischten. Um den dokumentarischen Charakter zu unterstreichen, gab Swift Daten, Fakten und Maße präzise und detailliert an. Nautische Begriffe, Namen und Karten sollten seine Geschichte besonders glaubwürdig erscheinen lassen.

Zugleich aber streute Swift Zweifel bei seinen Lesern, etwa durch absichtliche Ungenauigkeit. Denn Swift wollte gar nicht, dass "Gullivers Reisen" wie eine Lügengeschichte gelesen werden. So sehr dieses Werk erfunden ist, so sehr ist es in einem gewissen Sinn auch wahr. Die Leser sollten bei der Lektüre ihre eigene Gesellschaft wiedererkennen. Im Land der Zwerge, der Riesen, der Pferde sollten sie auf die ihnen bekannte Geschichte treffen, sie sollten sich mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen auseinandersetzen, die ihnen vertraut und oft genug geradezu skandalös waren.

In einem Kapitel streiten die Stumpfender und die Spitzender über das richtige Aufschlagen des Eises, dieser Streit führt zu einem Krieg. Heute sind wohl nur mit Hilfe von Kommentaren in dieser Satire Katholiken und Protestanten zu erkennen, die sich über die Transsubstantiationslehre, d.h. um das richtige Eucharistieverständnis streiten. Satiren sind in anderen Zeiten oft schwer, bzw. nicht zu verstehen. Doch vieles von dem, was der anglikanische Priester und Schriftsteller Jonathan Swift 1726 in "Gullivers Reisen" kritisierte, ist auch heute noch erkennbar und aktuell.

Im vierten Buch trifft Gulliver auf den Herrn der Pferde, ihm erläutert er, wie England funktioniert. Im Reden entlarvt er Politik, Wirtschaft, Rechtssystem. Manche hätten "ihr Heimatland verlassen", erzählt Gulliver, "weil sie durch das Gesetz zugrunde gerichtet worden seien". Durch das Gesetz zugrunde gerichtet? Das entsetzt sein Gegenüber, den Herrn. Und seine Fragen wenden sich noch an die Gegenwart: Ist nicht das Gesetz zu jedermanns Schutz vorgesehen? Wie kann es dann auch nur einen einzigen zugrunde richten?

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Peter Warlock/1894 - 1930
Titel: Capriol Suite - für Cembalo und Orchester
* Basse danse - 1.Satz (00:01:36)
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Ausführender/Ausführende: Nicholas Kraemer /Cembalo
Leitung: Sir Neville Marriner
Länge: 02:00 min
Label: London 421391-2

weiteren Inhalt einblenden