Heidemarie Uhl

APA/ROBERT JÄGER

Gedanken für den Tag

Heidemarie Uhl über das Gedenkjahr 2018

"Gedächtnis und Generationserfahrung" - Zum Gedenk- und Bedenkjahr 2018 macht sich die Historikerin Heidemarie Uhl Gedanken. Gestaltung: Alexandra Mantler

Wissen über die Vergangenheit wird auf vielen Ebenen vermittelt - vor allem auch in der Familie. 80 Jahre nennen Aleida und Jan Assmann als magische Grenze für das Zeitfenster des kommunikativen Gedächtnisses, in dieser Form kann Erfahrungswissen an kommende Generationen weitergegeben werden.

Diese generationsübergreifende Tradierung von Wissen verläuft zumeist en passant, ganz beiläufig, in kleinen bruchstückartigen Erzählungen. Der Zeithorizont reicht für meinen Jahrgang 1956 dank meiner Großmutter bis in die Habsburgermonarchie zurück. Es waren bruchstückartige Momentaufnahmen und emotional-atmosphärische Einstellungen, die meiner Generation über die Vergangenheit vermittelt wurden. Prägend war die Weltwirtschaftskrise, die Erfahrung meiner Großelterngeneration, von einem Tag auf den anderen alles verlieren zu können.

Im Schulunterricht der 1970er Jahre wurde uns vermittelt, dass globale Wirtschaftskrisen ein überwundenes Phänomen der Vergangenheit sind und für Gegenwart und Zukunft denkunmöglich. Heute sind die 1970er Jahre für meine Generation ein goldenes Zeitalters der Wohlstandsgewissheit, und die bedrohliche Gefahr eines atomaren Weltkriegs ist in der Erinnerung weitgehend verblasst.

Auch die Habsburgermonarchie war im Familiengedächtnis als vager Horizont präsent, evoziert durch die Anschaffung des ersten TV-Geräts Anfang der 1960er Jahre. Für uns Kinder war es eine irritierende Erfahrung, dass die Großmutter bei der Kaiser-Hymne in den Sisi-Filmen in Tränen ausbrach. Dass ihr Verlobter im Ersten Weltkrieg gefallen war, dass ihre Lebensplanung dadurch zerstört wurde, darüber hat sie nie gesprochen, das erfuhren wir erst später.

Für die Jahre 1938 bis 1945 war die Diskrepanz zwischen dem kommunikativen und dem kulturellen Gedächtnis noch weitaus prägnanter. Die Darstellung des Schulbuchs über die Jahre des Nationalsozialismus und das tradierte Wissen der familiär-dörflichen Erzählgemeinschaft ließen sich nicht vereinbaren.
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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Hanns Eisler/1898 - 1962
Album: HANNS EISLER: ORCHESTERWERKE I
* Vorspiel - 1.Satz (00:01:52)
Titel: Suite Nr.2 op.24 aus dem Film "Niemandsland"
Orchester: Rundfunk Symphonieorchester Berlin
Leitung: Heinz Rögner
Länge: 02:00 min
Label: Berlin Classics 0092282 BC

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