Christian Scheib und Elke Tschaikner

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Le week-end

Die Baumschule, Lektion 1

Mit Elke Tschaikner und Christian Scheib. Don't sit under the apple tree

Mit Musik von Louis Moreau Gottschalk, Kurt Schwertsik, dem Modern Jazz Quartet, Gustav Mahler, den Andrews Sisters und anderen.

"Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen", heißt es, und nachdem damit ganz und gar keine positive Konnotation verknüpft ist, wollen wir diesbezüglich ein wenig Hilfestellung bieten. Von Wäldern in den Alpen bis in verzauberte Feenwälder werden wir uns dennoch begeben, vorerst aber schulen wir die Wahrnehmung am singulären Objekt, an einem einzelnen Baum. Der in New Orleans geborene und durchaus reisefreudige Louis Moreau Gottschalk beobachtet ziemlich genau in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein in Europa damals noch exotisches Objekt. Er schreibt in Paris ein Klavierstück mit dem Titel "Der Bananenbaum" und landet damit einen Europa-weiten Salon-Hit.

Auch eher im Süden aber in Europa wächst ein Baum, dessen meist langstämmige und oft mit mächtiger Nadelkrone ausgestattete Erscheinung über Jahrhunderte die Phantasie anregte. Die - so eine der verwendeten Bezeichnungen - Italienische Steinkiefer wird bis zu bis zu 250 Jahre alt. Der Komponist Ottorino Resphigi beobachtet sie in Rom und macht die Pinie 1924 durch ein viersätziges Orchesterwerk zu einer Art floralem Wappentier der Hauptstadt. An mehreren Stellen Roms zückt Resphigi seine kompositorische Filmausrüstung für die "Pinien von Rom", an der Via Appia, bei den Katakomben, aber zu Beginn gleich in den weitläufigen Gartenanlagen rund um die Villa Borghese. Dort ist allerhand los unter den mächtigen Nadelkronen der "Pini di Roma".

Bevor Ottorino Resphigi von der Villa Borghese weiterzieht zu römischen Katakomben verlassen wir sein Portrait der "Pinien von Rom". Ein anderer Hauptstadtbewohner outet sich nun ebenfalls als Baumliebhaber inklusive orchestraler Portraitkünste. Der in Wien geborene Kurt Schwertsik bringt sein Verhältnis zu Bäumen auf eine verbal kürzestmögliche Formel: "Bäume sind Freunde". Kompositorisch frönt Kurt Schwertsik zum Glück nicht ganz so sehr dem Aphorismus und schreibt 1992 als Kompositionsauftrag des ORF die knapp 25minütigen "Baumgesänge". Während der erste Satz sich ebenfalls mächtigem Baumbestand zuwendet, folgt gleich darauf ein kurze Erinnerung daran, dass in Bäumen oft auch Vogelgesang ertönt.

Bezüglich der "Baumgesänge" gibt überraschende Allianzen: "Die Lieder der Bäume" heißt ein Buch aus 1914. Bäume singen eben auch selbst, hat man nur das nötige Sensorium dafür. "Ein jeder hat den Wind in den Baumkronen rauschen gehört, aber nicht jeder ihren Stimmen gelauscht," das schrieb ein gewisser Erzherzog Ludwig Salvator am Anfang des 20. Jahrhunderts, "Bäume, die je nach der Baumart so verschieden klingen; nicht jeder ihren Liedern das Ohr dargeboten, die bald so süß, wie einanderfolgende Küsse klingen, bald Tränen gleichen. Man muß mit Mühe ihrem Laubgepolter zuhorchen und es zu entziffern trachten. Und so reden sie auch verschieden, je nach der Stärke des Windes und nach dem Alter des Baumes."

Aber Ludwig Salvator wird in seinem schönen Text mit dem Titel "Die Lieder der Bäume" auch ganz konkret: "Das Rauschen in dem mächtigen Geäste der Eiche hat etwas Kriegerisches; man wähnt das Schlagen ferner Trommeln zugleich mit dem Klange metallener Blasinstrumente zu hören, welches bald mehr, bald minder gewaltig auftritt."
Nochmals ein Zitat des mit so wissenschaftlicher Genauigkeit wie poetischer Einfühlsamkeit lauschenden Erzherzog Ludwig Sakvator zu Beginn des 20. Jahrhunderts. "Wie die verschiedenen Baumgruppen verschiedene Melodien hervorbringen, je nachdem, ob die Brise zuerst die eine oder die andere Seite derselben berührt, so ist auch der Akkord verschieden, wenn sie über vereinzelte Bäume oder über ganze Baumkomplexe wirkt."
Und noch eine Allianz: "weiss/weisslich 18" heißt eine Komposition von Peter Ablinger. Und sie besteht ausschließlich aus dem aufgenommenen Rauschen einzelner Bäume.

Sendereihe

Gestaltung

  • Elke Tschaikner
  • Christian Scheib

Playlist

Komponist/Komponistin: Egbert Van Alstyne
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Harry Williams
Titel: In the shade of the old apple tree
Solist/Solistin: Louis Armstrong /Gesang, Trompete m.Begl.
Ausführende: The Mills Brothers /Gesang m.Begl.
Länge: 02:20 min
Label: Verve 5435992 (3 CD)

Komponist/Komponistin: Louis Moreau Gottschalk
Titel: Le Bananier op.5 RO 21 - Chanson negre für Klavier
Solist/Solistin: Ivan Davis /Klavier
Länge: 03:06 min
Label: London Enterprise 414438

Komponist/Komponistin: Ottorino Respighi
* I pini di Villa Borghese
Anderssprachiger Titel: Pinien von Rom
Orchester: Cleveland Orchestra
Leitung: Lorin Maazel
Länge: 02:45 min
Label: Decca 4250522

Komponist/Komponistin: Kurt Schwertsik
* 10. Breit gesungen (Cantabile, ma pesante) - 1.Satz
Titel: BAUMGESÄNGE op.65 - für Orchester
Leitung: HK Gruber
Orchester: BBC Philharmonic
Ausführender/Ausführende: Yuri Torchinsky /Konzertmeister
Länge: 02:37 min
Label: Chandos CHAN 10687

Komponist/Komponistin: Kurt Schwertsik
* 11. Lebhaft, Aggressiv (Vivace) - 2.Satz
Titel: BAUMGESÄNGE op.65 - für Orchester
Leitung: HK Gruber
Orchester: BBC Philharmonic
Ausführender/Ausführende: Yuri Torchinsky /Konzertmeister
Länge: 00:41 min
Label: Chandos CHAN 10687

Komponist/Komponistin: Richard Strauss
Titel: Eine Alpensymphonie op.64
* 4. Eintritt in den Wald
Orchester: Concertgebouw Orchestra Amsterdam
Leitung: Bernard Haitink
Länge: 06:00 min
Label: Philips 4161562

Komponist/Komponistin: Erik Satie
Titel: Croquis et agaceries d'un gros Bonhomme en bois - Skizze und Schabernack eines dicken Waldmännchens
* Nr.1 Tyrolienne turque
Solist/Solistin: Aldo Ciccolini /Klavier
Länge: 01:25 min
Label: EMI CDC 7497142

Komponist/Komponistin: Gustav Mahler
Vorlage: aus "Des Knaben Wunderhorn"
Titel: Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald / instr. - aus "Lieder und Gesänge" : Träumerisch, durchaus zart / Bearbeitung für Klavier
Solist/Solistin: Gustav Mahler /Klavier
Ausführender/Ausführende: Welte Mignon
Länge: 03:13 min
Label: Golden Legacy GLRS 101

Komponist/Komponistin: John Lewis
Titel: The Jasmin tree/instr.
Ausführende: Modern Jazz Quartet
Ausführender/Ausführende: John Lewis /Piano
Ausführender/Ausführende: Milt Jackson /Vibraphon
Ausführender/Ausführende: Percy Heath /Bass
Ausführender/Ausführende: Connie Kay /Drums
Länge: 05:23 min
Label: EMI/Apple 9082452

Komponist/Komponistin: Franz Schubert
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Wilhelm Müller
Titel: Der Lindenbaum
Solist/Solistin: Julius Patzak /Tenor
Solist/Solistin: Jörg Demus /Klavier
Länge: 04:40 min
Label: Preiser 93067

Komponist/Komponistin: Peter Ablinger
Titel: Eiche
Ausführende: Peter Ablinger
Länge: 00:40 min
Label: World Edition - 0008

Komponist/Komponistin: Peter Ablinger
Titel: Eibe
Ausführende: Peter Ablinger
Länge: 00:40 min
Label: World Edition - 0008

Komponist/Komponistin: Henri Dutilleux
Titel: Konzert für Violine und Orchester "L'arbre des songes"
* Librement - 1.Satz
Anderssprachiger Titel: Baum der Träume
Solist/Solistin: Renaud Capucon /Violine
Orchester: Orchestre Philharmonique de Radio France
Leitung: Myung Whun Chung
Länge: 04:35 min
Label: Virgin Classics 5455022

Komponist/Komponistin: Lew Brown
Komponist/Komponistin: Sammy Stept
Komponist/Komponistin: Charles Tobias
Titel: Don't sit under the apple tree (with anyone else but me)
Ausführende: The Andrews Sisters /Gesang m.Begl.
Länge: 02:58 min
Label: EMI 7915362

Komponist/Komponistin: Benjamin Britten
Bearbeiter/Bearbeiterin: Benjamin Britten
Bearbeiter/Bearbeiterin: Peter Pears
Vorlage: William Shakespeare
Gesamttitel: A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM, op.64 / Oper in 3 Akten / Gesamtaufnahme / 1.Akt, 2.Akt 1.Teil
Titel: 14. Introduktion : Der Wald. Titania liegt schlafend
Leitung: Richard Hickox
Orchester: City of London Sinfonia
Solist/Solistin: Lillian Watson /Titania, seine Gattin, Sopran
Länge: 03:27 min
Label: Virgin VCD7593052

Komponist/Komponistin: Giuseppe Becce
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Hedy Knorr
Titel: Holzhackerlied (Ausschnitt)
Ausführende: Comedian Harmonists /Gesang m.Begl.
Länge: 01:30 min
Label: Electrola 8219532 (8292242)

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