Miguel Herz-Kestranek liest Gerschon Schoffmann

4. April 2018, 11:05

Direktor Wolf, der einzige Jude in dem Finanzinstitut, ist aufgrund seiner Expertise in der Bank aufgestiegen. Er steht im Ruf, besonders zu den jüdischen Kaufleuten großherzig zu sein und viele mittels Bankkredit vor dem Untergang zu bewahren. Doch nun sind Zeiten angebrochen, in denen dem Direktor Wolf selbst der Boden unter den Füßen zu schwanken beginnt ...

Der 1880 in Orscha (heute in Weißrussland) geborene Gerschon Schoffmann, der seine bedeutendsten literarischen Schaffensperioden in Österreich hatte, ist hierzulande nahezu unbekannt. Der stets in hebräischer Sprache schreibende Schoffmann war vor dem russisch-japanischen Krieg nach Galizien und weiter nach Wien emigriert. 1921 war er mit seiner Frau nach Wetzelsdorf (bei Graz) gezogen, wo er bis zur Flucht nach Palästina 1938 lebte. Innerhalb der hebräischen Literaturgeschichte nahm der Autor einen fixen Platz ein, wurde für seine Werke mit dem renommierten Bialik-Preis (1947), dem Israel-Preis für Literatur (1956), Israels wichtigster Literatur-Auszeichnung, und 1969 mit den Neumann-Preis für Literatur ausgezeichnet. Gerschon Schoffmann starb 1972 in Gedera, Israel.

Eine Gesamtausgabe von Gerschon Schoffmanns Erzählungen erschien 1960 in fünf Bänden in Tel Aviv, 2017 gab der Literaturverlag Droschl erstmals eine Auswahl von Erzählungen auf Deutsch heraus. Diese poetischen Erzählminiaturen, im Stil des Vorbildes Peter Altenberg verfasst, beschreiben Alltagsgeschichten und spannen dabei einen weiten Bogen. Geschichten über das zaristische Schtetl, das Elend der Menschen auf der Flucht bis zur Bedrohung durch den Antisemitismus, in denen Gerschon Schoffmann unverwechselbare und beklemmende Bilder einer fremden Welt zeichnet und tiefen Einblick in eine vergangene Epoche gibt.

Service

Gerschon Schoffmann, "Direktor Wolf" und andere Erzählungen aus "Nicht für immer", Erzählungen, aus dem Hebräischen von Ruth Achlama, Literaturverlag Droschl, 2017

Sendereihe

• Radiogeschichten

Gestaltung

• Stefanie Zussner

Übersicht

• Lesen mit Ö1