Revoluzzer und Reaktionäre

16. Jänner 2019, 14:05

Das beleidigte 18. Jahrhundert

Zuerst schockierte Strawinsky, zumindest manche, mit seiner Musik zum Diaghilev-Balett "Le sacre du printemps", dann mit seiner 1920 uraufgeführten Pulcinella-Musik, in der er sich auf Vorschlag des Impresarios Musik des 18. Jahrhunderts zuwandte, selbst Diaghilev, der, wie Strawinsky amüsiert berichtete, "wie das beleidigte 18. Jahrhundert" auf seine eigentlich recht subtilen parodistischen Eingriffe in die Vorlagen reagierte.


White hope, black sheep

William Walton hingegen hielt an seiner in den 1930er Jahren erarbeiteten sehr persönlichen Musiksprache auch nach 1945 fest, was von der Kritik nicht goutiert wurde. In wenigen Jahren sei er vom Hoffnungsträger zum schwarzen Schaf der britischen Musik geworden, meint Walton resigniert, was sich im Englischen pointierter liest: von white hope zu black sheep. Walton sei ausgeschrieben, meckerten Kritiker - was sich von Waltons Konzert für Violoncello und Orchester sicher nicht sagen lässt, meint nicht nur der aus München gebürtige Cellist Johannes Moser. Es sei ungemein gut für sein Instrument geschrieben. Er mag daran am meisten, dass das Werk geheimnisvoll beginnt und endet; dazwischen biete das Werk aufwühlende und virtuose Passagen, wobei auf Innerlichkeit und die Fähigkeit des Instruments zu singen nie vergessen wird.


Geniestreich eines 19-Jährigen

"Schier unglaublich" findet Kirill Karabits, der Chefdirigent des Bournemouth Symphony Orchestra seit 2008, was der 19-jährige Schostakowitsch in seiner 1. Symphonie bereits für eine Musik schrieb. In dieser 1924/25 verfassten Abschlussarbeit für das Konservatorium Leningrad habe Schostakowitsch seine Stil bereits gefunden, diese Mischung aus Sarkasmus, Witz, tief empfundener Emotion, Vulgarität und präzisen Formulierungen oder die Steigerungen etwa, die später nur gewaltiger wurden; hier experimentiere er sogar mehr als in seinen späteren Symphonien. Karabits' Lieblingssatz ist der vierte vor allem wegen der Art, wie die Coda mit einer zart-weichen Passage des Solocellos beginnt - "und wie er das zu Ende bringt, diese Kehrtwendung, also das ist fantastisch."

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger