Zweimal Indien - Kanada und retour

15. März 2024, 11:30

Indien Numero 1: eine Gedankenreise ins Mystische. Der Titel "Turangalila" setzt sich aus zwei Sanskrit-Wörtern zusammen, die beide nur ungefähr zu umschreiben sind: "Turanga" bedeutet die rasch verrinnende, galoppierende Zeit; Bewegung und Rhythmus. "Lila" hingegen meint das Spiel im Sinne der göttlichen Einwirkung auf die kosmische Ordnung, das Spiel von Werden und Vergehen, von Leben und Tod. Doch "Lila" heißt auch Liebe. Insgesamt bedeutet "Turangalila" also "gleichzeitig Liebeslied, Hymne an die Freude, Zeit, Bewegung, Rhythmus, Leben und Tod", wie der Komponist Olivier Messiaen selbst formuliert. Seine monumentale "Turangalila-Symphonie" (1946-48), so schreibt er, sei ein Hymnus über "die verhängnisvolle und unwiderstehliche Liebe, die alles transzendiert und sich über alles um sich herum hinwegsetzt".

Kanada Numero 1: Unter Leitung von Gustavo Gimeno hat das Toronto Symphony Orchestra Messiaens epochales Werk neu eingespielt - mit Marc-André Hamelin am Klavier und Nathalie Forget an den Ondes Martenot, einem frühen elektronischen Musikinstrument, das entscheidend zur abenteuerlichen Klangpalette beiträgt.

Indien Numero 2: das Ziel einer Emigration. Der Alt-Österreicher Walter Kaufmann (1907-1984) studiert in Berlin bei Franz Schreker Komposition und sammelt Erfolge mit eigenen Bühnenwerken sowie am Dirigentenpult. Aber die Nazis werden immer lauter und einflussreicher, Kaufmann erkennt die Gefahr. Mit dem Verkauf der Rechte an einer Operette finanziert er sich 1934 deshalb die Auswanderung nach - Indien. Dort wird Kaufmann Filmmusikkomponist in der Frühzeit von "Bollywood". Und außerdem zum Direktor der Musikabteilung von All India Radio, dessen Kennmelodie er liefert. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellt sich heraus, dass unzählige Verwandte, Freunde und Weggefährten Kaufmanns im Holocaust ermordet worden sind und das neue Österreich ihn nicht mehr kennt, geschweige denn zurückruft. Nach einem Intermezzo in London geht Kaufmann ebenfalls über den großen Teich - aber (noch) nicht in die USA.

Kanada Numero 2: Von 1948 bis 1957 erzieht Kaufmann das Winnipeg Symphony Orchestra als Chefdirigent zu einem fähigen Klangkörper, der Bruckner, Brahms, Strauss und Sibelius im Repertoire hat. Danach wird Kaufmann Professor für Musikwissenschaft an der Indiana University in Bloomington.

Unter David Robert Coleman hat das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin eine verheißungsvoll mit "Orchestral Works Vol. 1" betitelte CD eingespielt, die Walter Kaufmanns Kompositionen erstmals der Vergessenheit entreißt - etwa "An Indian Symphony" von 1943. Als Solistin in seinem Klavierkonzert Nr. 3 (1950) mit dabei: Elisaveta Blumina.

Service

Aktuelle Aufnahmen:
Album: Olivier Messiaen: Turangalila-Symphonie
Mit: Marc-André Hamelin (Klavier), Nathalie Forget (Ondes Martenot), Toronto Symphony Orchestra, Gustavo Gimeno
Label: Harmonia Mundi

Album: Walter Kaufmann: Orchestral Works Vol. 1
Mit: Elisaveta Blumina (Klavier), Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, David Robert Coleman
Label: cpo

Sendereihe

• Vorgestellt

Gestaltung

• Walter Weidringer