Stolz auf Selbstoptimierung

13. April 2024, 06:57

Ich bin müde und das ist kein Zufall. Keine Schwäche meines Körpers, kein Fehler meines Kopfes, sondern einfach das natürliche Ergebnis unserer Leistungsgesellschaft.

Das natürliche Ergebnis unserer rassistischen Gesellschaft. Das natürliche Ergebnis unserer sexistischen Gesellschaft. Gesellschaft, die so viel nimmt, ohne zu schauen, was bleibt. Gesellschaft, die sich wegdreht, wenn es nichts mehr zu nehmen gibt. Ich bin müde davon zu sagen, dass ich müde bin. Immer wieder und wieder. Zu erklären, dass erklären müde macht. Zu erzählen, dass erzählen weh tut. Zu bezeugen, dass ich nicht überzeugen müsste.

Ich weigere mich, Opfer zu sein. Das nimmt Menschen und Systeme aber nicht aus ihrer Täterfunktion, denn wir sprechen nicht von Naturgesetzen - es könnte anders sein, es müsste anders sein. Ich bin müde und manchmal macht mir Angst, dass ich trotzdem funktioniere. Dass ich funktioniere, weil was anderes nie zur Option stand. Weil Nicht-Funktionieren kein Privileg von Menschen ist, die erstmal beweisen müssen, schützenswertes Leben zu sein. Die beweisen müssen, ein Existenzrecht verdient zu haben. Die nicht einfach sein dürfen, weil sie sind. Die nicht einfach sein dürfen, obwohl sie sind.

Ich würde gerne noch etwas Positiveres ergänzen, das Gesagte mit Polstern abfangen, Aussagen mindern und beschwichtigen, ja ein Feel-Good-Vibe raussenden in diese unsere schöne Welt, doch leider, heute wird nichts draus: Denn ich, ich bin zu müde.

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