Zwischenruf

Von Freiräumen, Schalom und Flugzeugen

von Ingrid Bachler, Oberkirchenrätin der evangelischen Kirche AB

"Über den Wolken
Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein"

So sang einst Reinhard Mey. Im Lied blickt er sehnsuchtsvoll einem Flugzeug hinterher, das in den Himmel abhebt. Der Sänger hat damit einen Nerv getroffen, denn viele Menschen sehnen sich nach Freiheit und Freiräumen.

Spannend finde ich die Kombination der beiden Worte "frei" und "Raum": Denn darin sind Bilder und Empfindungen enthalten, zu denen die meisten im Alltag häufig keinen Zugang haben. Unsere inneren Räume sind vollgestellt mit allerlei Themen, Sorgen, Plänen, Glaubenssätzen, Ansprüchen und den vielen Aufgaben des Alltags.

Freiraum ermöglicht, Ideen zu entfalten. Es ist ein manchmal überraschendes Zeitgeschenk, ein freigehaltener Raum, eine Freiheit, die Menschen zur Entwicklung und Entfaltung brauchen. Ein Freiraum ist für viele auch ein Sehnsuchtsort, der mit der Hoffnung verbunden ist, andere Wege zu gehen.

Der Himmel ist sicherlich ein Freiraum, den ich gerne bewusst vom Alltag unterscheide. Der Sonntag auch. Er ist als Tag der Arbeitsunterbrechung ein wichtiges Element der Lebenskultur. Zeit haben für die Familie, für Freunde und Freundinnen, für Hobbies oder für den Besuch eines Gottesdienstes. Manchmal ist es auch die Möglichkeit, mit sich selbst ins Gespräch zu kommen, sich auch selbst einmal zu ermutigen, zu trösten oder die Stille in diesem Freiraum zu genießen.

Biblische Texte verbinden den Begriff "Raum" mit Aufbrüchen in die Freiheit, Bewegung und Wachstum. Das hebräische Verb für "weiten Raum schaffen" findet sich auch im Psalm 4. Gott ist es, der in der Not weiten Raum schafft. Luther übersetzt: "der du mich tröstest in Angst". Angst leitet sich von Enge ab. Gott stellt, als Gegenprogramm dazu, die Füße der in die Enge Getriebenen "auf weiten Raum". Für mich gehört auch das biblische "Schalom" dazu. Die Übersetzung mit "Friede" greift zu kurz. Ich sehe den Schalom-Begriff in seiner Bedeutung als die Sehnsucht nach dem allumfassenden Frieden. Ein Wort, das einen weiten Raum schafft.

Die Erfahrung, so einen weiten Raum des Schalom, einen Freiraum zu haben, einen friedlichen Ort, wünsche ich mir für die vielen Menschen, die sich in bedrohlichen Situationen befinden, die hungern, die in ständiger Gefährdung leben.

Zweifellos ist der "Himmel", in dem Reinhard Meys Flugzeug abhebt, ein sehr weiter Raum. Er singt weiter:

"Und dann
Würde was uns groß und wichtig erscheint
Plötzlich nichtig und klein."

Das mag an dem Wechsel der Perspektive liegen. Ich denke, man muss nicht unbedingt in ein Flugzeug steigen, um dieses Gefühl zu erleben. Wenn Gott mir Frei-Räume schenkt, dann braucht es nur noch mich dazu, diese geschenkten Frei-Räume zu nutzen. Das ist jedem und jeder selbst überlassen.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Reinhard Mey
Titel: REINHARD MEY - LIVE (PS02/UK24129_H)
* Musikanten sind in der Stadt (00:03:00)
Solist/Solistin: Reinhard Mey /Gesang m.Begl.
Länge: 03:00 min
Label: Chanson Ed.R.Mey

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