Radiokolleg

Ich bin Ende oder Anfang. Franz Kafka zum 100. Todestag (1)

Die Verwandlung oder: Ein Käfer als Zaungast der Gesellschaft

Als der Prager Schriftsteller Franz Kafka am 3. Juni 1924 in Kierling bei Klosterneuburg stirbt, einen Monat vor seinem 41. Geburtstag, nehmen die Wiener Zeitungen keinerlei Notiz davon. Der tuberkulöse Leichnam wird im hermetisch verschlossenen Sarg nach Prag geschickt - von auch nur irgendwelcher literarischer Bedeutung ist mit keinem Wort die Rede. Der spätere Weltruhm Franz Kafkas beruht auf einem insgesamt schmalen Oeuvre.

Es sind hauptsächlich Erzählungen sowie die drei Romanfragmente "Der Prozess", "Das Schloss" und "Der Verschollene", die der Schriftsteller Franz Kafka hinterlässt. Aber jede Zeile darin ist von schmerzlicher Klarheit, geprägt von einem angstvoll-modernen Lebensgefühl - einem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht gegenüber anonymen, albtraumhaften Autoritätssystemen. In Kafkas Texten spiegeln sich sowohl die schwer fassbare politisch-gesellschaftliche Situation um die Wende zum 20. Jahrhundert als auch das eigene, in Widersprüchen gefangene Innenleben. Eben die Bestimmtheit und Brillanz von Kafkas Sprache aber, sein unmissverständlich klarer Ausdruck eines absurden Realismus haben zu zahllosen Interpretationen, zu ideologischen Deutungen und auch Aneignungen geführt. "Ich bin Ende oder Anfang", schrieb Kafka - als hätte er die Mühen und Irrwege seiner Rezensenten, Biographen und auch vieler Leser bei der Beschäftigung mit Leben und Werk des Dichters Kafka vorausgeahnt. Am Anfang des Radiokollegs von Sabrina Adlbrecht steht heute jener Text Kafkas, der besonders viel Autobiographisches enthält - die Erzählung von dem wohl berühmtesten Insekt der Literaturgeschichte.

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