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Soziale Medien: Hilfe und Gefahr bei Essstörungen

"Gefährliche Freundschaften. Im Hungern nicht allein."
Gemeinsames Hungern um die Wette, Trost und Abführmittel bei Fressattacken, ein non-stop-Austausch über Kalorien und Gewicht: in sogenannten "ProAna"- und "ProMia"-Gruppenchats werden Essstörungen wie Anorexie und Bulimie nicht nur gefördert, sondern als Möglichkeit Disziplin und Selbstkontrolle auszuüben, verherrlicht.

Die Betroffenen treffen sich in Chatgruppen und Foren mit einem gemeinsamen Ziel: Gewichtsreduktion. Ein krankhafter BMI - body mass index - wird zum Ideal, Unterernährung zur Norm. Die Gemeinschaft und das Gefühl der Zugehörigkeit machen die online-Communities attraktiv und den Ausstieg schwer. Für die Betroffenen von Magersucht kann das tödlich enden.

Gefahr lauert auch durch Männer, die ihre Macht missbrauchen, und die Sucht der Betroffenen nach einem schlanken Körper für die Beschaffung von Nacktfotos nutzen. Mit dem Versprechen, ihre Opfer "dünn" zu machen, erlangen diese "Berater" Zugang zu Betroffenen. Sie fordern gesundheitlich unzumutbare Gewichtsziele, verordnen die Aufnahme von extrem niedrigen Kalorienmengen, demütigen und beschimpfen Frauen mit normalen Körpermaßen - üben auf diese Weise sexualisierte Gewalt aus.

Die Rolle von Medien für psychische Erkrankungen im Allgemeinen und bei Essstörungen im Speziellen sind komplex. Zunächst können visuelle Medien tatsächlich als ein Faktor in einem komplexen Geflecht von genetischen, sozialen und familiären Bedingungen, Mitauslöser für ein gestörtes Essverhalten sein. Daneben können aber zum Beispiel digitale Angebote, Online-Communitys und aufklärende Informationen den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Selbst innerhalb von ProAna- und ProMia-Gruppen, die vor allem von Digital Natives besucht und benutzt werden, geht es nicht allein um das gemeinsame Hungern. Es geht auch um die Überwindung von Einsamkeit, um Freundschaft und Einfühlsamkeit, um Kontrolle, Konkurrenz und Macht.
Gefährliche Freundschaften.
Im Hungern nicht allein.
Von Johanna Rubinroth und Carla Siepmann
Übernahme: SWR / DLF 2024

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