Salzburger Nachtstudio
Ein Weltensammler des Geistes - zum 150. Geburtstag von Rudolf Steiner. Gestaltung: Johannes Kaup
23. Februar 2011, 21:00
Ohne Rudolf Steiner wären heute vermutlich die Biosupermarkt-Regale leer, der bio-dynamische Landbau müsste erst erfunden werden und die Schullandschaft wäre um einiges eintöniger. Steiner wurde 1861 in Kraljevec, in der damaligen k. u. k.-Donaumonarchie (heute Kroatien), als Beamtensohn geboren. In den 64 Jahren bis zu seinem Tod in Dornach bei Basel hat Steiner als "Weltensammler des Geistes" ein vieldimensionales Lebenswerk aufgebaut, das bis heute nachwirkt.
Er begann seine Laufbahn als Goethe-Forscher, war zunächst Atheist und ein Verehrer Nietzsches. Seine Theorien entwickelte er in Auseinandersetzung mit theosophischen Geheimlehren. Steiner begründete die Anthroposophie - die "Weisheit vom Menschen" -, die sich als ein spiritueller Erkenntnisweg versteht. Sie will geistige Impulse zur Entwicklung der Individualität und zu einer Neugestaltung von Lebens- und Kulturverhältnissen geben. Daraus hat sich die anthroposophische Geisteswissenschaft entwickelt, die bis heute in vielen Bereichen des kulturellen Lebens wirksam ist: von der persönlichen Lebensführung, der Pädagogik, der Medizin, der Landwirtschaft über die Kunst bis ins Wirtschaftsleben.
1919 gründete der Reformpädagoge in Stuttgart die erste Waldorf-Schule, finanziert von der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria. Ein paar Jahre später wurde die Firma Weleda in Schwäbisch-Gmünd gegründet, deren von Steiner gezeichnetes Firmenlogo noch heute die Produkte ziert. Künstler von Kandinsky bis Beuys berufen sich auf Steiners Ideen. Kafka, Mondrian und Morgenstern standen mit ihm brieflich in Kontakt. Im Zeitalter des Materialismus engagierte er sich für eine Weltanschauung, die das Zusammenspiel zwischen Mensch und Kosmos wieder in den Mittelpunkt rückte. 350 Bücher und etwa 6.000 Vorträge sind von Rudolf Steiner erhalten.
Heute bewundern ihn die einen als uneingeholten Visionär und charismatischen Missionar einer neuen Lebensweise. Seine Gegner kritisieren sein Werk als geistige Scharlatanerie und werfen ihm rassistische Tendenzen in seinen Frühschriften vor. Zweifellos sind seine Gedanken und Innovationen bis in die Gegenwart wirksam. Rudolf Steiner gilt als einer der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Reformer des 20. Jahrhunderts. Worin besteht das geistige Erbe Rudolf Steiners? Wie ist es in der Geistesgeschichte einzuordnen? Muss Rudolf Steiner heute "entsteinert" werden?
Interviewpartner/innen:
Univ.Prof.Dr. Walter Kugler - Leiter des Rudolf Steiner Archivs Dornach
Univ.Doz.Dr. Helmut Zander - Historiker Humboldt Uni berlin
Univ.Doz.Dr. Miriam Gebhard - Historikerin Uni Konstanz
Dr.Johannes Wirz - Molekularbiologe am Goetheanum in Dornach
Univ.Prof.Dr.Raul Kneucker - Politologe und eheml. Sektionschef im Wissenschaftsministerium
Dr. Harald Siber- FA für Innere medizin sowie Anthropos.Medizin Wien
Service
Helmut ZANDER, Rudolf Steiner - Die Biografie, Piper Verlag 2011
Heiner ULRICH; Rudolf Steiner - Leben und Lehre, C.H. Beck Verlag 2011
Miriam GEBHARD, Rudolf Steiner - ein moderner Prophet, DVA 2011
Walter KUGLER, Rudolf Steiner und die Antroposophie, Dumont Verlag 2010
Ders zus.Mit Simon BAUR, Rudolf Steiner in Kunst und Architektur, Dumont
Wolfgang ZUMDICK, Rudolf Steiner in Wien - Die Orte seines Wirkens, Metro Verlag
150 Jahre Rudolf Steiner 2011