Gedanken für den Tag
von David G. L. Weiss. "Prophet, Mensch, Gottessohn?" Assoziationen zu Jesus von Nazareth
26. April 2011, 06:57
David G. L. Weiss ist Schriftsteller.
Jesus von Nazareth ist zum Stein des Anstoßes geworden. Für nunmehr fast zwei Jahrtausende Weltgeschichte. Er war Eckpfeiler und Schlussstein für das Gebäude Europas. Und darüber hinaus ist er auch, der Jude aus Galiläa, ein großer Prophet des Islam. Seine Mutter ist die einzige Frau, die namentlich im Koran genannt wird.
Immer mehr Menschen haben nach der Zeitenwende das Gefühl, dass dieses Bauwerk in seinen Grundfesten ins Wanken geraten ist. Unerhörte Skandale über die institutionalisierten Nachfolger Christi erschüttern die Medien. Aber wer war dieser Mann, der die Welt zu bewegen vermocht hatte? Hat er Menschen dieser Tage noch etwas zu sagen mit seiner Lehre von Nächstenliebe und Vertrauen?
Die Texte von David G. L. Weiss sind das Resultat einer jahrelangen Beschäftigung mit diesen Fragen, eine oft verzweifelte Suche nach Antworten. Sie spiegeln die lebenslange, persönliche Begegnung des Autors mit Jesus und mit seiner bis heute kontroversen Lehre wider. Angesichts der sich vertiefenden Gräben zwischen verschiedenen Glaubensbekenntnissen, angesichts des Imageverlusts organisierter Glaubensgemeinschaften, von Heuschreckenkapitalisten und fanatischem Terrors ist diese Lehre seiner Meinung nach aktueller denn je.
Die Begegnung
Ich erinnere mich, als wenn es gestern gewesen wäre. Ich war ein Kind. Es war ein besonderer Anlass, weil ich aufbleiben habe dürfen, um fern zu sehen. Es war ein Feiertag, und im Fernsehen wurde "Ben Hur" gezeigt. Die ganze Familie saß versammelt vor dem einzigen Fernsehapparat, um sich den Film anzusehen. Heute ist mir bewusst, dass dieser Film aus dem Jahr 1959 historisch nicht korrekt ist. Aber das war mir damals total egal.
Dieser Monumentalstreifen hat etwas in mir bewegt. Es war nicht das große Wagenrennen, die Seeschlacht, oder die berührende Liebesgeschichte, die sich mir eingeprägt hat. Sondern der Sklavenzug, der in Nazareth Halt gemacht hat. Einer der Galeerensträflinge war Judah Ben Hur, der entrechtete Fürst, dreckig und durstig. Und da war auch dieser Zenturio, ein brutaler römischer Hauptmann, der allen Wasser geben lässt, nur Judah nicht. Aber ein Schatten legte sich plötzlich über das Gesicht des Betenden, und ein Unbekannter gibt ihm zu trinken, streichelt ihm sogar den dreckigen Kopf. Man sieht weder ein Gesicht, noch hört man eine Stimme. Ich erinnere mich noch, wie sehr mich diese Szene als Kind beeindruckt hat: Beim Zurückweichen dieses brutalen Soldaten vor dem ruhigen, aufrechten Mann, wurde mir die innere Stärke dieses Fremden gezeigt. Und das hat mich damals neugierig gemacht.
Ich wollte mehr über diesen Unbekannten erfahren. Später habe ich dann begriffen: Hier war Jesus von Nazareth dargestellt. Jahre danach wollte ich mehr über die tatsächlichen historischen Hintergründe rund um das Leben dieses Jesus von Nazareth zu erfahren. Aber wichtig finde ich beides: Die historisch-kritische Auseinandersetzung einerseits, doch andererseits auch die Offenheit für diese grundsätzliche Faszination, die am Anfang meines Fragens stand. Denn ein Glaube ohne intellektuelle Auseinandersetzung ist mir persönlich zu bequem, vielleicht auch zu naiv. Doch umgekehrt braucht es meiner Meinung nach auch diese grundsätzliche Offenheit, sich von religiösen Erfahrungen persönlich berühren zu lassen, damit Glaube nicht in reiner Formelhaftigkeit erstarrt.
Service
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Sendereihe
Playlist
Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min
Titel: GFT 110426 Gedanken für den Tag / David Weiss
Länge: 02:42 min
Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min