Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Mit Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos.
Gewalt und Folter - lebenslanges Trauma.
Sendungsvorbereitung: Mag. Mark Hammer.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Gewalt und Folter - lebenslanges Trauma

Wenn Menschen Opfer von Gewalt oder gar Folter werden, wenn sie miterleben, wie Angehörige gefoltert oder umgebracht werden oder wenn sie selbst unmittelbar vom Tod bedroht sind, zählt dies zu den schlimmsten Erfahrungen, die im Leben passieren können.
Die traumatische Situation löst intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen aus und bewirkt eine dauerhafte Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. Die Folge ist häufig eine posttraumatische Belastungsstörung. Dieser Begriff steht für die weitreichenden körperlichen und seelischen Folgen eines traumatischen Erlebnisses: Depressionen, Angststörungen, Panikattacken, Suchtverhalten und unklare körperliche Beschwerden sind nur einige von ihnen. Menschen, die lebensbedrohliche Situationen am eigenen Leib erlebt haben oder diese bei ihnen nahestehenden Personen beobachten mussten, brauchen fachgerechte psychologische Betreuung, um die Erlebnisse zu verarbeiten und die Folgen zu lindern. In Österreich kümmert sich der Verein Hemayat seit 1995 um die medizinische, psychologische und psychotherapeutische Betreuung von Folter- und Kriegsüberlebenden. Jährlich wird über 700 Menschen aus nahezu 50 Ländern geholfen.
Die Ursachen einer posttraumatischen Störung können aber auch weit in der Vergangenheit liegen. Noch heute betreut das psychosoziale Zentrum ESRA Opfer des Holocaust und deren Angehörige. Viele dieser Menschen haben über Jahrzehnte hinweg keine adäquate Therapie erhalten.
Die aus der Arbeit - mit den durch die Nazis traumatisierten Menschen - gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse können auch dabei helfen, die seelischen und körperlichen Auswirkungen aktueller Menschrechtsverletzungen - seien es Genozide in Afrika oder die Kriege am Balkan - zu verstehen und die Opfer zu betreuen.
Aber auch in den Industriestaaten gibt es Situationen, die Menschen traumatisieren. Vor allem Traumata von Kindern wurden lange Zeit zu wenig beachtet. In einer Familie aufzuwachsen, die durch Gewalt, Alkohol und Drogen geprägt ist, hat weitreichendere Folgen für die spätere Gesundheit, als bisher angenommen. Probleme im Erwachsenenalter mit Gefühlen und Affekten, der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung und in Beziehungen zu anderen Menschen haben ihre Ursache oft in traumatisierenden Situationen in der Kindheit.
Sowohl Hemayat als auch ESRA erhielten im Mai dieses Jahres neben anderen Organisationen den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte.
Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos und ihre Sendungsgäste diskutieren dieses Mal über die seelischen Folgen von Krieg und Folter und anderen traumatisierenden Situationen.

Service

Weiterführende Informationen:

Presseinformationen Hemayat
Hemayat-Jahresbericht 2010
Leitfaden für den Umgang mit Folgen traumatischer Ereignisse (von ESRA)
Child Survivors der NS-Verfolgung in Österreich nach 1945 -
Mental Health Promotion bei schwerst traumatisierten Menschen. Eine Studie zur Erhebung von ressourcenstärkenden Bewältigungsstrategien.


Siroos Mirzaei, Martin Schenk (Hg.), "Abbilder der Folter. Hemayat: 15 Jahre Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen", Mandelbaum Verlag 2010

Alexander Friedmann, Peter Hofmann, Brigitte Lueger-Schuster, Maria Steinbauer, David Vyssoki (Hrsg.), "Psychotrauma - Die Posttraumatische Belastungsstörung", Springer Verlag 2004

10 Jahre ESRA
(Überblick über die verschiedenen Tätigkeitsgebiete von ESRA)
Information und Bestellung: info@esra.at oder +43/1/214 90 14

Barbara Preitler, "Ohne jede Spur - Psychotherapeutische Arbeit mit Angehörigen "verschwundener" Personen", Psychosozial-Verlag 2006

Sendereihe