Salzburger Nachtstudio

"Der Anfang von Himmel und Erde hat keinen Namen". Zum 100. Geburtstag des radikalen Konstruktivisten Heinz von Foerster. Gestaltung: Elke Kellner und Elisabeth J. Nöstlinger

"Die Welt entsteht dadurch, dass ich sie gespielt habe und weiterspiele. In jedem Augenblick kann ich entscheiden, wer ich bin." Mit Aussagen wie dieser hat der am 13. November 1911 in Wien geborene und am 2. Oktober 2002 in Pescadero, Kalifornien, verstorbene Physiker, Biophysiker und langjährige Direktor des legendären Biological Computer Laboratory (BCL) in Illinois, Heinz von Foerster, Geschichte geschrieben.

Der Mitbegründer der kybernetischen Wissenschaft und des radikalen Konstruktivismus geht davon aus, dass die Realität nicht entdeckt, sondern von uns Menschen konstruiert wird. Seine grundlegende Annahme ist, dass jede Erkenntnis als Konstruktionsprozess verstanden werden kann und die Wirklichkeit das Produkt dieses Prozesses darstellt. Die Wirklichkeit wird also nicht erfunden, sondern von einem Beobachter operativ erfunden.

Die Erkenntnisse der Hirnforschung bringen zusätzliche Aspekte auf unsere Erkenntnis der Welt. Beim Hirnforscherkongress Mitte der 1990 Jahre haben sich Heinz von Foerster und Umberto Maturana über die damals neuesten Forschungsergebnisse auseinandergesetzt. In einem bei der Ars Electronica aufgenommenen Interview erzählt Maturana über Übereinstimmung und Divergenzen in der Zusammenarbeit mit Heinz von Foerster. Der Philosoph Thomas Metzinger ergänzt dies durch seine Reflexionen über die Schwierigkeit, uns selbst zu erkennen, und die Frage, ob es eine Seele gibt.

Heinz von Foerster und der chilenische Biologe und Philosoph Umberto Maturana trafen erstmals 1958 bei einem Kongress in Leyden zusammen. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine enge inhaltliche Auseinandersetzung, Zusammenarbeit und persönliche Freundschaft. Während von Foerster als Mathematiker und Physiker vor allem an der Formalisierung biologischer Prozesse interessiert war, forschte Maturana an den Grundlagen der internen Dynamik lebender Systeme und entwickelte daraus die Idee der "autopoietischer Systeme", welche sich kontinuierlich selbst produzieren. Wir können daher keine realistischen Aussagen über die externe Realität treffen, "um aber zu reflektieren, ist es notwendig, einen Schritt zur Seite zu machen und zu sehen, wo man sich zuvor befunden hat" (Maturana).

Das interessierte Ende der 1970er Jahre auch Psychologen und Therapeuten der "Schule von Palo Alto", allen voran der österreichische Kommunikationswissenschafter, Psychotherapeut und Soziologe Paul Watzlawick. Er verstärkte die epistemologische Dimension der Ideen Heinz von Foersters. "Die Information einer Beschreibung hängt von der Fähigkeit eines Beobachters ab, aus dieser Beschreibung Schlussfolgerungen abzuleiten". Watzlawicks berühmtestes Diktum ist aber: "Man kann nicht nicht kommunizieren".

Service

Heinz von Foerster, Der Anfang von Himmel und Erde hat keinen Namen. KadMos, 2002
Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Peter M. Hejl, Siegfried J. Schmidt, Paul Watzlawick, Einführung in den Konstruktivismus. Piper, 12. Auflage, Juli 2010
Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela, Der Baum der Erkenntnis, Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. Fischer, 3. Auflage April 2010

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