Da capo: Tonspuren

Elfriede Gerstl. Erinnerungen an eine streitbare Dichterin. Aufgezeichnet von Eva Roither.

"Gazelle kam aus Wien" tituliert ein Kritiker 1964 in der Berliner Morgenpost und beschreibt so die knapp 30-jährige Elfriede Gerstl, die in Berlin aus ihren Prosa-Arbeiten vorliest. Mit einer Stimme, die in den Ohren des Kritikers "sanft, liebenswürdig, weiblich" klingt und ganz im Gegensatz zu ihren vorgetragenen Texten stehe; diese nämlich seien: "ironisch, boshaft, beinahe männlich".

Wie immer man zu den damals attestierten Eigenschaften stehen mag, Gegensätze haben Elfriede Gerstls Leben und Werk geprägt. Geboren als Tochter eines jüdischen Zahnarztes in Wien in großbürgerlichem Ambiente, hat sie die Zeit des Nationalsozialismus in wechselnden Verstecken verbracht - und überlebt. Sie ist 13 Jahre alt, als sie 1945 "vereinsamt, verschüchtert" (E. Gerstl) und verarmt erstmals die Schule besuchen darf. Das Kommunizieren hat sie fast gänzlich verlernt.

Über ihre Kriegserfahrung hat sie selten gesprochen, und noch viel seltener hat sie darüber geschrieben. Ihre Gedichte und Prosaskizzen zeichnen Ironie und Beiläufigkeit aus, große Gesten waren ihr fremd. So wie ihren Texten hätte man auch ihrer altmodisch-eleganten Erscheinung die Entbehrungen auf den ersten Blick nicht angesehen. "Die Gerstl ist eine unserer Besten, doch zu filigran, um populär zu sein", schrieb Wendelin Schmidt-Dengler über die Tatsache, dass der Autorin erst sehr spät literarische Anerkennung zuteil wurde.

In den Tonspuren erzählen Weggefährt/innen wie Elfriede Jelinek, Herbert J. Wimmer, Raja Schwahn-Reichmann sowie die Tochter über ihr Leben mit Elfriede Gerstl, die am 16. Juni 80 Jahre alt geworden wäre.

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