Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Nahrungsmittelunverträglichkeiten - Der Preis des Wohlstands

Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien sind seit etwa 20 Jahren derart stark im Steigen, dass sich nun auch die EU dieses Themas annimmt. Ende 2014 wird eine neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung die bisher in Österreich geltende Lebensmittelkennzeichnungsverordnung ersetzen. Eine wesentliche Neuerung dieser EU-Direktive ist, dass auf Lebensmitteln alle Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, angegeben und optisch hervorgehoben werden müssen. Diese Deklarationspflicht gilt auch für unverpackte Lebensmittel.

Umfragen zufolge glauben 20 Prozent der Bevölkerung "allergisch" auf ein oder mehrere Nahrungsmittel zu sein. Tatsächlich liegt die Zahl der von einer "echten" Lebensmittelallergie Betroffenen nur bei etwa zwei bis fünf Prozent (bei Kindern sind es fünf bis acht Prozent). An erster Stelle bei den Kleinkindern rangiert die Kuhmilchallergie, gefolgt von einer Allergie auf Hühnereiweiß. Bei den Erwachsenen dominieren Nuss- und Kreuzallergien (z.B. kann ein Birkenpollenallergiker aufgrund der ähnlichen Eiweißstrukturen auch auf bestimmte Apfelsorten allergisch sein). Weitaus häufiger als Nahrungsmittelallergien - bei denen vom Immunsystem Antikörper gegen eine bestimmte Substanz gebildet werden - kommen so genannte Nahrungsmittelintoleranzen, auch als Unverträglichkeiten bezeichnet, vor. Exakte Zahlen dazu gibt es nicht. Ein häufiger Grund für eine Nahrungsmittelintoleranz ist, dass ein bestimmter Nahrungsbestandteil nicht verdaut werden kann, da das dafür verantwortliche Enzym nicht oder in zu geringem Ausmaß vom Körper gebildet wird. Dies ist zum Beispiel bei der Laktose (Milchzucker)-, Fruktose (Fruchtzucker)- und Histaminintoleranz der Fall. Anders bei der Zöliakie: Hier führen das im Weizenmehl enthaltene Klebereiweiß Gliadin (Gluten) und ähnliche Eiweißstrukturen in anderen Getreidesorten zu einer Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Die Konsequenz: Eine Vielzahl an möglichen Beschwerden und Folgeerscheinungen - darunter heftige Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit, Schwächezustände, Gewichtsverlust, Übellaunigkeit, Osteoporose und sogar Fehlgeburten.
Personen, die von einer Laktose- oder Fruktoseunverträglichkeit betroffen sind, leiden in der Regel "nur" an Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit, Blähungen oder Verstopfung.

Charakteristisch für die Histaminintoleranz sind unter anderem allergieähnliche Symptome wie plötzliches Erröten oder Schwellungen im Gesicht, Juckreizattacken, Herz-Kreislauf-Probleme, eine verstopfte oder rinnende Nase sowie Atembeschwerden.
Warum ähnelt nun das Essen - an sich doch ein äußerst lustvoller Vorgang - für viele Menschen des 21. Jahrhundert immer mehr einer Überquerung eines Minenfelds? Unser Körper kommt mit den industriell verarbeiteten Lebensmitteln und dem Überangebot an Nahrungsmitteln nicht zurecht, sagen die einen. Unsere Gesellschaft beschäftige sich zu intensiv mit "gesunder" Ernährung, die Leute würden zu sehr in sich hineinhören, meinen die anderen. Nahrungsmittelunverträglichkeiten bzw. -allergien hätte es schon immer gegeben, nur die Möglichkeiten der Diagnose seien neu - so ein weiterer Punkt, über den sich viele Expertinnen und Experten einig sind.

Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos mit einem Kinderarzt und Allergologen, einem Internisten sowie einer Diätologin über die unterschiedlichen Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten und informiert Sie darüber, in welchen Fällen Sie oder Ihre Kinder Milchprodukte, Fruchtzucker etc. meiden sollten und welche Behandlungskonzepte sinnvoll sind.

Eine Sendung von Nora Kirchschlager.
Redaktion: Christoph Leprich

Service

Christa Schlucker (Diätologin am AKH Linz)
Dr. Daniela Kasparek (Fachärztin für Kinder- u. Jugendheilkunde)
Univ.-Prof. Dr. Ludwig Kramer (Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung mit Gastroenterologie, Ambulanz für Laktose-, Fruktose-, Histaminintoleranz und Nahrungsmittelunverträglichkeiten)

Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung
Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie
Österreichische Gesellschaft für Ernährung
Spezialambulanz für Zöliakie, Medizinische Universität Wien (AKH)
Allergieambulanzen und -ambulatorien in Österreich
Verein FruLak & Co. - Selbsthilfe Fruktose-, Laktose-, Histaminintoleranz, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Ernährung
Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie
Verband der Diätologen Österreichs
Department für Ernährungswissenschaften, Universität Wien
Lebensmittelintoleranz-Datenbank - Datenbank mit Produktinformationen über potentiell allergene bzw. unverträgliche Lebensmittelzutaten bzw. Zusatzstoffe
Information des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit
Nicht alles ist eine Allergie! - Der Allergie-Kompass der Arbeiterkammer
Informationen der Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung

Axel Vogelreuter, "Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Lactose - Fructose - Histamin - Gluten", Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2012

Maximilian Ledochowski, "Wegweiser Nahrungsmittel-Intoleranzen: Wie Sie Ihre Unverträglichkeiten erkennen und gut damit leben", Verlag Trias 2009

Michael Wolzt, Johannes Ring, Silvia Feffer-Holik, "Gesund essen & trotzdem krank: Gluten-, Lactose-, Fructose-, Histamin-Intoleranz", Verlagshaus der Ärzte 2008

Reinhart Jarisch, "Histamin-Intoleranz, Histamin und Seekrankheit", Erscheint im Februar 2013 in der 3. Auflage im Thieme-Verlag.

Susanne Fehrmann, "Nahrungsmittelallergie - was nun?", Verlag Knaur TB 2011

Sendereihe