Gedanken für den Tag

von Wolfgang Treitler, Theologe und Journalist: Schalom Ben-Chorin - ein Brückenbauer zwischen Juden und Christen. Zu seinem 100. Geburtstag (am 20. Juli). Gestaltung: Alexandra Mantler

Vor einhundert Jahren, am 20. Juli 1913, wurde Schalom Ben-Chorin geboren. Er hat sich mit wichtigen christlichen Gestalten beschäftigt, um deren jüdische Herkunft sichtbar zu machen.

Eine solche Gestalt war Maria, die Mutter von Jesus von Nazareth. Ihm war klar, dass er "völliges Neuland" betrat, als er 1970 sein Buch über Maria schrieb. Denn die jüdischen Spuren dieser Frau waren unter mythologischen Schichten tief vergraben. Ben-Chorin sah das vor allem bei der Frage der sogenannten jungfräulichen Reinheit Mariens.

In der jüdischen Tradition gehört es zur heiligen Pflicht, Kinder zu "erwecken", wie es heißt. Jungfräulichkeit ist also ein grundsätzlich vorübergehender Zustand. Wieso hielt das Christentum an der Jungfräulichkeit Mariens so hartnäckig fest?

Ben-Chorin sah hier subtile männliche Fantasien am Werk. Es geht dem Mann um Reinheit, um Unbeflecktheit, um Keuschheit - und auch um die Distanz der Unerreichbaren: also um ein umwerfendes Wunschbild.

Ben-Chorin entdeckte noch eine zweite Reinheit Mariens, die der Mutter. Doch diese Reinheit ist nur für das Kind wirklich, das noch nichts von Sex weiß, ohne den es ja keine Mutterschaft gibt. Beides, Jungfräulichkeit und Mutterschaft, wird im Christentum ineins gesetzt als die Reinheit Marias. Dieses Denken, so schreibt Schalom Ben-Chorin, "weist hier nun infantile und illusionäre Züge auf. Die beiden reinen Gestalten der Frau sollen in einer Gestalt manifest werden: in der Gestalt der jungfräulichen Mutter. - Sie ist rein als Jungfrau und völlig rein als Mutter, denn sie ist Mutter, obwohl sie Jungfrau bleibt." Und so wurde sie zum dogmatischen Leitbild der christlichen Frau.

Dieses Bild aber ist nicht die jüdische Maria aus Nazareth, es ist davon unberührt. Die Suche nach Maria geht weiter. Sie wird, so bin ich überzeugt, nur in Jerusalem zu finden sein.

Service

Buch, Schalom Ben-Chorin, Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Schalom Ben-Chorin, Mutter Mirjam. Maria in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Schalom Ben-Chorin, Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Verena Lenzen, Schalom Ben-Chorin: Ein Leben im Zeichen der Sprache und des jüdisch-christlichen Gesprächs, Verlag Hentrich & Hentrich

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Unbekannt
Bearbeiter/Bearbeiterin: Roy Henley
Album: MIDDLE EAST / ARABIA / IRAN / ISRAEL
Titel: Haifa/instr.
Arabien
Ausführende: Unbekannt
Länge: 02:00 min
Label: Sonia CD77092

weiteren Inhalt einblenden