Gedanken für den Tag
Von Hans Schelkshorn, römisch-katholischer Theologe und Philosoph. "Die Revolte und der Sinn für das Heilige" - Zum 100. Geburtstag von Albert Camus. Gestaltung: Alexandra Mantler
4. November 2013, 06:56
Die Kindheit als eine Schule der Armut
Am 7. November wäre Albert Camus 100 Jahre alt geworden. Tatsächlich starb Camus bereits 1960 bei einem Autounfall auf dem Weg nach Paris. In seiner Aktentasche fand man ein Romanfragment mit dem Titel "Der erste Mensch", in dem Camus seine Kindheit und Jugend in Algerien schildert. Camus stammt aus einfachen Verhältnissen, seine Mutter Catherine ist Analphabetin, sein Vater stirbt bereits am Beginn des 1. Weltkriegs in der Marneschlacht, als Camus etwas mehr als 1 Jahr alt ist.
Im Romanfragment "Der erste Mensch" nähert sich Camus seinem unbekannten Vater über eine Erinnerung eines alten, fast schon vergessenen Lehrers. Im Marokkokrieg halten der Lehrer und sein Vater Wache und finden zwei tote Wachposten mit durchgeschnittener Kehle, grausam verstümmelt. Sein Vater habe gesagt: " Ein Mensch macht so was nicht." Der alte Lehrer hingegen versucht diese Grausamkeit zu entschuldigen; im Krieg nehmen sich Menschen eben alles heraus, um zu überleben. Doch sein Vater schrie seinen Freund an, als hätte er einen Tobsuchtsanfall: "Nein, ein Mensch, der hält sich im Zaum. Genau das ist ein Mensch..." Und dann hatte er sich beruhigt. "Ich", hatte sein Vater gedämpft gesagt, "ich bin arm, ich komme aus dem Waisenhaus, man steckt mich in diese Kluft, man zerrt mich in den Krieg, aber ich halte mich im Zaum."
So hatte Camus durch eine zufällige Erinnerung von seinem früh verstorbenen Vater doch noch etwas Entscheidendes empfangen: Auch in extremen Situationen muss sich der Mensch im Zaum halten, um im moralischen Sinn ein Mensch zu bleiben. Die Auflehnung gegen die maßlose Gewalt und die Anerkennung der Grenzen des Menschen, diese Maximen werden Albert Camus' gesamten Denkweg bestimmen.
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven
Titel: Trio für Klavier, Violine und Violoncello in c-moll op.1 Nr.3
* Menuettto; quasi allegro. Trio - 3.Satz (00:03:52)
Solist/Solistin: Vladimir Ashkenazy /Klavier
Solist/Solistin: Itzhak Perlman /Violine
Solist/Solistin: Lynn Harrell /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: EMI 7474562